ALISON NEILANS

19. Juni 1884 – 17. Juli 1942

 

Schriftstellerin, Herausgeberin, Sozialreformerin, Frauenrechtlerin

 

Die Sozialreformerin Alison Roberta Noble Neilans war eine streitbare Verfechterin des Frauenwahlrechts und eine unermüdliche Kämpferin gegen die sexuelle Unterdrückung von Frauen und Kindern.

Ihre Eltern, Alison Ferguson, geb. Noble, und Robert Neilans kamen aus der schottischen Kleinstadt Coldstream on Tweed; ihr Vater war Handelsreisender. Sie wuchs im Süden Londons (Friern Road, East Dulwich) auf und besuchte dort eine Privatschule (Langley House). Nach ihrem Schulabschluss arbeitete sie fünf Jahre in einem Geschäftsunternehmen.

Ihr großes Vorbild war Josephine Butler, die britische Feministin der Viktorianischen Ära, die gegen den Frauenhandel kämpfte und sich für bessere Bildung und bessere Beschäftigungsmöglichkeiten von Frauen als Alternative zur Prostitution einsetzte. Alison Neilans trat 1907 der Women’s Freedom League (WFL) bei und wurde 1910 Mitglied des Vorstands; sie kümmerte sich um deren Finanzen, nahm an Kongressen teil - z. B. 1908 am Kongress der International Women Suffrage Alliance in Amsterdam - und organisierte Wahlveranstaltungen und Aktionen, wie eine Kampagne an der Westküste Schottlands im Sommer 1913; als Propagandamittel wurde u. a. eine Reihe von Postkarten veröffentlicht, betitelt "Suffragettes at Home", darunter auch Alison Neilans beim Herdputzen, um den Vorwurf der Gegner zu entkräften, Suffragetten seien unweiblich und vernachlässigen ihre Haushaltspflichten.

Ihre Aktionen brachten sie dreimal ins Gefängnis: 1908 wurde sie am 30. Jänner und am 7. Dezember für je einen Monat inhaftiert, 1909 musste sie für drei Monate in das Gefängnis Holoway, nachdem sie gemeinsam mit der amerikanischen Schauspielerin Alice Chapin (Ferris) eine Wahl im Stadtteil Bermondsey boykottierte und Säure in die Wahlboxen goss; sie trat in Hungerstreik und wurde zweimal täglich zwangsernährt. Auf einem aus dem Gefängnis geschmuggelten Toilettenpapier informierte sie Edith How-Martin, eine Mitstreiterin, über ihre Absicht, Nahrung zu verweigern.

1911 trat sie der Church League for Women’s Suffrage (CLWS) bei und arbeitete ab 1915 bis 1917 für die linksgerichtete East London Federation of the Suffragettes (ELFS), die 1912 von Sylvia Pankhurst gegründet worden war.

Von 1917 bis zu ihrem Tod war Alison Neilans Mitarbeiterin und Generalsekretärin der Association for Moral and Social Hygiene (AMSH), gab deren Zeitschrift The Shield. A Review of Moral and Social Hygiene heraus und schrieb dafür eine Reihe von Beiträgen. Die Organisation stand unter der Schirmherrschaft des British National Committee for the Suppression of the White Slave Traffic and the International Traffic in Women (1919–1938). Im Rahmen dieser Tätigkeit erreichte sie in Genf, dass die Suche nach Schiffen aufgenommen wurde, die Mädchenhandel aus Südamerika und anderen Ländern betrieben.

Weitere Organisationen denen sie angehörte und teilweise Vorstandsfunktionen ausübte waren: Open Door Council, International Women Suffrage Alliance (1929 bis 1935 im Ausschuss), National Council of Women (NCW), International Council of Women (ICW), Committee of Inquiry into Sexual Morality, National Union of Societies for Equal Citizenship (NUSEC) - für diese Organisation unternahm sie 1926 eine Reise durch Schottland, wo sie Vorträge in Schottisch hielt -, und Women Power Committee. Gemeinsam mit Elizabeth Robins, Viscountness Rhondda u. a. war sie im Beirat der National Woman’s Party und diskutierte um 1925 im Londoner American Woman’s Club mit deren Gründerin, der US-amerikanischen Frauenrechtlerin Alice Paul.

Sie nahm an internationalen Treffen wie der Frauenkonferenz 1921 teil und war Delegierte beim Kongress der International Alliance of Women for Suffrage and Equal Citizenship (IAWSEC) in Paris 1926.

Alison Neilans sah sich selbst als radikal, individualistisch und unabhängig. Sie war fest von der Wichtigkeit einer Sexualreform überzeugt und hielt international zu diesem Thema Vorträge, organisierte Veranstaltungen und Kampagnen. Sie schrieb über die sozialen und rechtliche Aspekte in Bezug auf Fragen der Sexualmoral, über den Verkauf von Frauen und Kindern an Bordelle, über den sexuellen Missbrauch von Kindern. Gemeinsam mit ihrer engen Freundin und Mitstreiterin Constance Antonina (Nina) Boyle setzte sie sich für weibliche Mitarbeiter bei der Polizei ein, in der Hoffnung, dass dadurch ihre Anliegen Unterstützung bekämen. Für diese Anliegen kämpfte sie unermüdlich bis ans Ende ihres Lebens.

 

Alison Neilans hatte in London verschiedene Wohnorte, darunter 1920/21 in 19 Tothill Street, Westminster, und 1927 in 25 Asmuns Place, Hampstead Garden Suburb. Die letzten zwölf Jahre ihres Lebens verbrachte sie mit ihrer gleichaltrigen Freundin aus Suffragettenzeiten Ethel (Madge) Turner, die mit ihr auch die Liebe zum Gärtnern teilte und die sie am Ende ihres Lebens pflegte. Sie wurde in Golders Green beigesetzt, zu den zahlreichen Trauergästen gehörten u. a. Rachel Crowdy, Nina Boyle, Nancy Astor, Grace Abbott und die Vertreterinnen vieler nationaler und internationaler Organisationen.

 

Neben Veröffentlichungen in der von ihr herausgegebenen Vierteljahres-Zeitschrift The Shield schrieb Alison Neilans für Zeitschriften wie The British Medical Journal, Equal Rights, The Law Journal, Liverpool Quarterly, The Police Women’s Review, The Vigilance Record, The Vote u.a.

1936 erschien in der Hogarth Press der Band "Our Freedom and Its Results by Five Women", in dem Alison Neilans mit dem Beitrag "Changes in Sex Morality" vertreten war. Es ist anzunehmen, dass Virginia Woolf mit ihr und den anderen Autorinnen (Mary Agnes Hamilton, Eleanor Rathbone, Erna Reiss und Ray Strachey) die einzelnen Beiträge diskutierte und besprach. In dem Buch werden die Ergebnisse des Frauenwahlrechtes analysiert, wie weit es sich auswirkte auf Bezahlung, öffentliche Ämter, Gesetze, Gesellschaftsleben und sexuelle Unterdrückung. Der 285 Seiten starke Band hatte eine Auflage von über 2500 Stück, war in blaues Leinen mit goldenen Aufdruck gebunden und hatte einen von Richard Kennedy entworfenen cremefarbenen, blau bedruckten Schutzumschlag.


Literatur- und Quellenverzeichnis:

J. Howard Woolmer: A Checklist of the Hogarth Press. 1917–1946. Woolmer/Brotherson Ltd., Revere, Pennsylvania 1986

J. H. Willis, Jr.: Leonard and Virginia Wolf as Publishers. The Hogarth Press 1917–1941. University Press of Virginia. Charlottesville and London, 1992

Cheryl Law: Women. A Modern Political Dictionary. I. B. Tauris, London, New York 2000

Elizabeth Crawford: The Women’s Suffrage Movement: A Reference Guide, 1866-1928. Psychology Press, 2001

Helen Rappaport: Encyclopedia of Women Social Reformers, Band 1. ABC-CLIO, 2001

Carole Olive Moschetti: Conjugal Wrongs don’t Make Rights: International Feminists Activism, Child Marriage and Sexual Relativism. University of Melbourne, Political Science Department, Faculty of Arts. Dissertation, Melbourne 2005 (pdf)

www.oxforddnb.com/view/10.1093/ref:odnb/9780198614128.001.0001/odnb-9780198614128-e-56248

womanandhersphere.com/tag/alison-neilans/

archiveshub.jisc.ac.uk/search/?terms=Alison%20Neilans

de.wikipedia.org/wiki/Alice_Paul

triptych.brynmawr.edu/cdm/search/searchterm/Neilans

 

Bildnachweis:

Votes for Women: commons.wikimedia.org/wiki/File:Alison_Neilans_(1884-1942).jpg

Votes for Women: www.flickr.com/search?text=Alison Neilans

Alison Neilans cleans the Stove: commons.wikimedia.org/wiki/File:Alison_Neilans_Cleans_the_Stove_(38557302026).jpg

Caravan Tour 1908: www.flickr.com/photos/lselibrary/39633760521/

Alison Neilans, by unknown photographer 1908, twl-calm.library.lse.ac.uk

Diskussion mit Alice Paul 1925: commons.wikimedia.org/wiki/File:Alice_Paul_conferring_with_English_members_159031v.jpg

Ballot Box Protest 1910: commons.wikimedia.org/wiki/File:Account_of_the_trial_of_Alison_Neilans1910_(22596290530).jpg

Josephine Butler Centenary 1928: commons.wikimedia.org/wiki/File:Poster_-_Josephine_Butler_Centenary._A_commemoration_meeting,_1928._(22906771752).jpg

Our Freedom and ist Results: www.modernistarchives.com/work/our-freedom-and-its-results-by-five-women-eleanor-f-rathbone-erna-reiss-ray-strachey-allison

 


Helga Kaschl: Frauen in Virginia Woolfs Hogarth Press. Verlag Autonomie und Chaos, Berlin 2022

Im Berliner Verlag Autonomie und Chaos erschien 2022 eine Online-Ausgabe von "Frauen in Virginia Woolfs Hogarth Press" mit zusätzlichen illustrierenden Hintergrundtexten:

 

autonomie-und-chaos.de/die-buecher/helga-kaschl-frauen-in-virginia-woolfs-hogarth-press

oder

d-nb.info/1262912083/34

 

Das Buch kann kostenlos gespeichert und bei Bedarf ausgedruckt werden (448 Seiten, Format A4).

 

Women's Freedom League benutzte einen Wohnwagen - gezogen von einem Pferd namens Asquith - um ihre Anliegen öffentlich zu machen: im August 1908 zog Alison Neilans gemeinsam mit Charlotte Despard (am Fenster links), Präsidentin des WLF, von Oxshott aus durch das Land.

1925 diskutierte die US-amerikanische Frauenrechtlerin Alice Paul (links) im Londoner American Women's Club mit Vertreterinnen des neu gergündeten internationalen Beratungsausschusses der National Women's Party: von links nach rechts, sitzend: Elizabeth Robins, Viscountess Rhondda,
Dr. Louisa Martindale, Virginia Crawford, (Dorothy Evans), stehend: Mrs. Pethick-Lawrence, Alison Neilans,
Florence Underwood, Florence Barry.



Alison Neilans - Veröffentlichungen (Auswahl):

A Warning to Men Going Abroad. Association for Moral and Social Hygiene, o.J.

Hints to Parents. Children and the Birth Problem. Association for Moral and Social Hygiene, o.J.

(gem. mit Alice Chapin) The Ballot Box Protest, and the Trial of Mrs. Chapin and Miss Neilans, at the Central Criminal Court. Women’s Freedom League, London 1910

The Plymouth District under the C.D. Acts. British Branch of the International Abolitionist Federation, 1915

The Control Of Venereal Diseases. In: The British Medical Journal, Vol. 1, No. 2893,1916

The Protection of Soldiers. In: The Shield, 1, No. 4, March 1917

Clause 3a- A rejoinder. In: The Shield, 1, No. 7, 1917

Report of the Lambeth Conference of the Anglican Bishops. In: The Shield, November-December 1920

Woman, Where are Those Thine Accusers? In: The Shield, 3, No. 6, 1922

An Equal Moral Standard. What Does it Mean? Caledonian Press, London 1924

Justice for the Prostitute - Lady Astor’s Bill. In: Equal Rights, September 19, 1925

The International Movement against Regulated Prostitution. Its Progress and Significance. Association for Moral and Social Hygiene, London 1933

Are Moral Standards Necessary? An Adress Given in Christ Church, Westminster, on February 27th 1935. Association for Moral and Social Hygiene, London 1935

Changes in Sex Morality. In: Ray Strachey (Ed.): Our Freedom and its Results by Five Women. Hogarth Press, London 1936

Liberty of the Subject. How "Prostitutes" are Treated: Prepared for Members of Parliament but of Interest to Non-members Also. Association for Moral and Social Hygiene, London 1937

The Effect of Regulated Prostitution. Association for Moral and Social Hygiene, London 1937

Anti-Venereal Measures. In: The British Medical Journal, Vol. 2, No. 4044, 1938

Morality in War Time. Association for Moral and Social Hygiene, International Alliance of Women, London 1939

The Unity of the Moral Law. Association for Moral and Social Hygiene, London 1941