DORIS EDITH ENFIELD

22. Mai 1891 – 31. Dezember 1951

 

Schriftstellerin und Journalistin

 

 

D. E. Enfield, geborene Doris Edith Hussey, war die Tochter von Florence Jane Thornber Hussey und Edmund Hussey, Inhaber eines Reparaturbetriebes für Fahrräder. Sie wuchs in Forest Gate, im Westen Londons auf, besuchte dort eine Privatschule und anschließend die Blackheath Highschool; von 1910 bis 1913 studierte sie am Girton College Geschichte und unterrichtete anschließend ein Jahr am Darlington College.

Doris Edith Hussey war mit Marjorie (Gumbo) Strachey befreundet und „a blue stocking Hampstead friend“ (Virginia Woolf) von Lytton Strachey, die - so Woolf - derartig „Stracheyesisch“ sprach, das es schwer war, sich an irgend etwas zu erinnern. Doris war eine intelligente junge Frau, die Karriere als Schriftstellerin machen wollte und versuchte, sich als Journalistin über Wasser zu halten. Sie lebte in ärmlichen Verhältnissen und bewohnte ein einfaches Zimmer im Clifford's Inn, einer ehemaligen Londoner Anwaltskammer; im Dezember 1920 war Virginia Woolf bei ihr zum Tee und beschrieb die sparsamen Lebensumstände: "Man muss sich ein kümmerliches Zimmer vorstellen; einen kaputten Gasofen; Margarine; einen einzigen Tisch; Bücher, meist billige; kein Schmuck oder Sessel - (den hatte ich möglicherweise) düsterer Novembertag;" (Virginia Woolf: Tagebücher 2, 5. Dezember 1920). Bei diesem Besuch lernte sie den jüngeren Bruder von Doris Hussey kennen und sie fühlte sich fast wehmütig an die eigene Jugend mit ihrem Bruder Adrian erinnert. Auch Virginia und Leonard Woolf hatten 1912 am Anfang ihrer Ehe aus Kostengründen Zimmer im Clifford's Inn gemietet, Zimmer, die wie Leonard Woolf in seinen Erinnerungen "Mein Leben mit Virginia" meinte, "unglaublich alt und dazu unglaublich zugig und schmutzig" waren.

Doris Hussey heiratete am 5. Februar 1921 den Agrarökonomen, Ministeriumsangestellten und späteren Sir Ralph Roscoe Enfield (1885–1973) - wenn man Virginia Woolf glauben darf, der größte Langweiler Londons. Das Paar verkehrte im 1917er Club (4 Gerrard Street / Soho), eine von Leonard Woolf und Freunden gegründete sozialistische Diskussionsrunde, und lebte in Bloomsbury (1, Taviton Street, Gordon Square); hier wohnten auch Marjorie Strachey und Duncan Grant, der Maler und Lebensgefährte Vanessa Bells. Doris und Ralph Enfield hatten zwei Kinder: Alice Clarissa und Edward (geb. 1929), der Journalist, Radio- und Fernsehreporter wurde. Spätere Wohnadresse (lt. Girton College Register 1948: 48 Devonshire Hill, London N. W.)

 

1922 veröffentlichte D. E. Enfield eine Biografie über Louise Colet: von 1846 bis 1854 die Geliebte des um elf Jahre jüngeren Gustave Flaubert und Vorbild für die Figur der Madame Bovary - in Flauberts Briefen als Madame X bezeichnet. Mit ironischem Blick betrachtet sie in fünf Kapiteln (Debut / Flaubert’s Mistress / "Lui" / Travels in Italy / The End) Leben und Zeit der Dichterin und Schriftstellerin, die sich durch "Madame Bovary" verunglimpft fühlte, sich von Flaubert trennte und mit ihrem Roman "Lui" revanchierte. The Bookman vom Juni 1923 bezeichnet die Biografie als spritzige literarische, gesellschaftliche und politische Plauderei; für Virginia Woolf war das Buch im "Lytton-Stil" geschrieben.

Im März 1928 erschien in der Hogarth Press ihre Biografie über Letitia Elizabeth Landon (1802–1838), populäre Dichterin, Romanschriftstellerin und Kritikerin, die 1838 George Mclean, den Gouverneur von Cape Coast Castle heiratete und kurz danach an der westafrikanischen Goldküste unter mysteriösen Umständen an einer Blausäurevergiftung starb. "L. E. L. A Mystery of the Thirties", eine Mischung aus Originalbelegen und erzählenden Abschnitten, wurde u. a. in Times Literary Supplement (1928: Mar. 15) und den Tulsa Studies in Women’s Literature (Volume 1, Number 1, 1982) besprochen.


D. E. Enfield - Veröffentlichungen:

A Lady of the Salons. The Story of Louise Colet. Jonathan Cape, London 1922 / Charles Scribner’s Sons, New York 1923

L. E. L. A Mystery of the Thirties. Hogarth Press, London 1928

 

Literatur- und Quellenverzeichnis:

J. Howard Woolmer: A Checklist of the Hogarth Press, 1917–1946. Woolmer/Brotherson Ltd., Revere, Pennsylvania 1986

Girton College Register 1869–1946. Cambridge 1948
Virginia Woolf: Tagebücher 2. 1920–1924. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1994
Virginia Woolf: Tagebücher 5. 1936–1941. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008
Nigel Nicolson (Ed.): A Change of Perspective. The Letters of Virginia Woolf. Volume III: 1923–1928. The Hogarth Press, London 1977

Leonard Woolf: Mein Leben mit Virginia. Erinnerungen. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2003 (S. 65)
Julie Watt:  Poisoned Lives: The Regency Poet Letitia Elizabeth Landon (L.E.L.) and British Gold Coast Administrator George MacLean. Sussex Academic Press, 2010
The Bookman, June 1923, p. 469
www.thegazette.co.uk/London/issue/39494/page1588
de.wikipedia.org/wiki/Louise_Colet
de.wikipedia.org/wiki/Letitia_Elizabeth_Landon
www.blackheathhighschool.gdst.net/382/a-historic-school

 

Bildnachweis:

Werbung Edmund Hussey: www.e7-nowandthen.org/search?q=Hussey

Blackheath Highschool: www.blackheathhighschool.gdst.net/382/a-historic-school


Helga Kaschl: Frauen in Virginia Woolfs Hogarth Press. Verlag Autonomie und Chaos, Berlin 2022

Im Berliner Verlag Autonomie und Chaos erschien im Juli 2022 eine Online-Ausgabe von "Frauen in Virginia Woolfs Hogarth Press" mit zusätzlichen illustrierenden Hintergrundtexten:

 

autonomie-und-chaos.de/die-buecher/helga-kaschl-frauen-in-virginia-woolfs-hogarth-press


oder
d-nb.info/1262912083/34


Das Buch kann kostenlos gespeichert und bei Bedarf ausgedruckt werden (448 Seiten, Format A4).

 


Werbung für das Geschäft von Edmund Hussey in The Forest Gate Weekly News, Jänner 1897

Doris Edith Hussey besuchte die 1880 gegründete Blackheath Highschool im Südosten Londons; deren Leiterin Florence Gadesden war eine aktive Unterstützerin der Frauenwahlrechtsbewegung und erzog in diesem Sinn ihre Schülerinnen. 

"The Honourable Society of Clifford's Inn" war die älteste der zahlreichen englischen Anwaltskammern; sie wurde 1344 gegründet und 1903 aufgelöst. Doris Edith Hussey wohnte dort vor ihrer Heirat mit Ralph Roscoe Enfield.


D. E. Enfield widmete „A Lady of the Salons“ ihrem Mann; das Buch erschien in verschiedenen Neuauflagen und ist im Internet digitalisiert abrufbar (archive.org) .

Das Buch erschien in einer Auflage von 1095 Stück und war in rosafarbene Seide gebunden. Das Porträt am Umschlag und die Abbildungen im Buch stammten von dem irischen Maler Daniel Maclise, der ein enger Freund von Letitia Elizabeth Landon war.