MARGARET DIGGLE

7. Mai 1905 – 10. November 2008

 

Pädagogin, Literaturwissenschaftlerin, Dichterin

 

 

Margaret Diggle wurde in Moulton / Lincolnshire geboren und hatte drei ältere Geschwister; ihre Mutter Katherine (Kitty), geb. Starck, war Kochlehrerin, ihr Vater John Harber Diggle, war Grundstücksmakler und später Staatsbeamter. Beide setzten sich für höhere Schuldbildung und gute Berufsausbildung für Mädchen ein. Den Grundstein für Margaret Diggles lebenslange Liebe zur Literatur legte ihre Mutter, indem sie ihr frühzeitig vorlas, z. B. "David Copperfield" als sie sechs Jahre alt war.

Nach dem Besuch der Willand Hall School in Spalding kam sie an das Harrogate College, wo sie ein Gastprofessor, der Schriftsteller Louis Umfreville Wilkinson, bestärkte, sich um einen Studienplatz an der Universität zu bewerben. 1923 begann sie als "Henry Tomkinson Stipendiatin" am Girton College Anglistik zu studieren und gewann für ihre ausgezeichneten Erfolge den "Charity Reeves Preis"; 1925 wechselte sie von Anglistik zum Studium der Geschichte. Sie war eine sehr gewissenhafte Studentin, schloss leicht Freundschaften und befand sich ständig in Geldnot. In ihren Erinnerungen war das erste Jahr in Girton das glücklichste ihres Lebens, obwohl sie schnell erkannt hatte, dass sie mit sehr geringem Wissen und kindlichem Verstand in das Studium gegangen war und ihr bewusst wurde, dass auch mit viel Wissen immer Fragen offen blieben und neue hinzukamen. In Girton traf sie auf Ivor Armstrong Richards, Mansfield (Mannie) Forbes und Frank Raymond Leavis, alle drei engagierte und aktive Literaturkritiker und -wissenschaftler, die dazu beitrugen, ihren Verstand zu schärfen. Für ein Graduierten-Studium blieb sie weitere zwei Jahre in Girton und erhielt 1928 ihren Master of Letters. Mit dieser Ausbildung hoffte sie auf eine Stelle an der Universität, was sie - neben einer erfolgreichen Karriere als Schriftstellerin - am meisten anstrebte.

Nach zwei Jahren im Lehrberuf (Bartrum Gables School, Broadstairs / Kent) kehrte Margaret Diggle 1930/1931 nach Cambridge zurück, um ein Lehr-Diplom am Cambridge Training College for Women zu erwerben. Ihre nächste Anstellung war an der Duchess School in Alnwick / Northumberland, wo sie drei Jahre blieb, bevor sie eine Stelle als Englischlehrerin und später als Englisch- und Pädagogiklehrerin am Gloucestershire Training College of Domestic Science annahm. Nach zehn Jahren in Gloucester verbrachte sie zwei Jahre am Stockwell College in Bromley und ging dann nach Kriegsende für drei Jahre in die USA: sie unterrichtete am Wellesley College, einer Privathochschule für Frauen in der Nähe von Boston, an der Ohio State University in Columbus und an der University of Oregon in Eugene.

Nach ihrer Rückkehr in das England der Nachkriegszeit war es schwierig eine Anstellung zu finden, sie wurde Tutor am Bilston College of Further Education und lehrte schließlich ab 1954 bis zu ihrer Pensionierung 1970 in leitender Position am Garnett College, spezialisiert für die Aus- und Weiterbildung von Dozenten. Danach übersiedelte sie von London nach Ringmer (12 Springett Avenue) in der Nähe von Lewes / Sussex; sie pflegte ihre ältere Schwester und engagierte sich im lokalen Bereich: als aktives Parteimitglied unterstützte sie die Liberaldemokraten, beteiligte sich am Frauenverein, an der Westgate Unitarian Church von Lewes, an der Ringmer Local History Group und an der Lewes U3A Poetry Group (University of Third Age), wo sie noch mit 101 Jahren eine Poesie-Gruppe leitete. Kurz vor ihrem hundertsten Geburtstag wurde sie noch Fellow der "Barbara Bodichon Foundation" von Girton und freute sich auf eine Rückkehr nach Cambridge.

Durch das Erbe ihres Vaters und durch ihre eigene Pension war Margaret Diggle gut situiert und konnte sowohl karitative als auch wissenschaftliche Einrichtungen unterstützen: in den späten 1990-er Jahren stellte sie dem Girton College eine Summe für ärmere und benachteiligte Studentinnen zur Verfügung.

1992 übergab sie dem Girton College Vorlesungsmitschriften u. a. über Dorothy Wordsworth, von Bertrand Russell über China, von G. K. Chesterton und seine Auseinandersetzung mit G. G. Coulton, und von Middleton Murry; des weiteren Texte über das Leben in Girton, über ihr Zimmer, über Tänze, über Regeln betreffend Männer, über die Auswirkungen des Generalstreiks und über den Wechsel Girtons zur Selbstverwaltung 1924. Auch ihre späteren Erinnerungen an Girton sowie eine Kopie ihrer gesammelten Gedichte "The Telescope of Years" (ca. 1990) sind in der Sammlung enthalten. (Girton College Archive, Cambridge, Personal Papers of Margaret Diggle, GCPP Diggle)

Nach einem Sturz musste sich Margaret Diggle in die Obhut eines Schwesternheims begeben, war aber bis zu ihrem Tod zwei Jahre später im vollen Besitz ihrer geistigen Fähigkeiten.

 

Margaret Diggles Wunsch, eine erfolgreiche Schriftstellerin zu werden, erfüllte sich nicht. Trotz ihres unruhigen Berufslebens mit häufigem Ortswechsel - sie unterrichtete und lebte in Kent, Northumberland, Gloucestershire, USA (Massachusetts, Ohio, Oregon), Westmidlands, London, Sussex - war sie eine beständige Schreiberin, die sich in zahlreichen Texten mit pädagogischen und literaturwissenschaftlichen Themen beschäftigte und auch weiter an ihren Gedichten arbeitete. Erstmals wurden zwei ihrer Gedichte in "An Anthology of Cambridge Women’s Verse" veröffentlicht; bis in die 90-er Jahre veröffentlichte sie keine weiteren. Sie verfasste u. a. eine vergleichende Studie zu "The Ancient Mariner" von Coleridge und "The Waste Land" von T. S. Eliot, schrieb über ihre Erfahrungen in den USA, wo sie oft Desinteresse und schlechte Schuldbildung zur Kenntnis nehmen musste ("Required Literature Courses as a Contribution to Culture") und veröffentlichte mit fast siebzig Jahren einen beeindruckenden, lebendigen Essay über die Arbeit ihres ehemaligen Literaturprofessors Mansfield Forbes, zu dem sie ihre Notizen aus 1924/25 heranzog; diese Notizen zeigen, wie klar sie als junge Studentin die Strukturen und Zielsetzungen seiner Vorlesungen erkannte. Um 1990 gab sie schließlich - laut "Annual Review of Girton College 2009" - ihre über Jahre verfassten Gedichte in einem Sammelband heraus: "The Telescope of Years".


Literatur- und Quellenverzeichnis:

J. Howard Woolmer: A Checklist of the Hogarth Press. 1917–1946. Woolmer/Brotherson Ltd., Revere, Pennsylvania 1986

Girton College Register 1869–1946. Cambridge 1948

Hugh Carey: Mansfield Forbes and his Cambridge. Cambridge University Press, 2010

janus.lib.cam.ac.uk/db/node.xsp?id=EAD%2FGBR%2F0271%2FGCPP%20Diggle

issuu.com/girtoncollege/docs/annualreview2009

en.wikipedia.org/wiki/Meary_James_Thurairajah_Tambimuttu

www.ringmer.info/articles-on-ringmer-history.html

thegazette.co.uk/notice/L-59122-862871

 

Bildnachweis:

Bartrum Gables School: www.iancastlezeppelin.co.uk/9-feb-1916/4589863791

Stockwell College: www.ideal-homes.org.uk/lambeth/lambeth-assets/galleries/stockwell/stockwell-training-college

wellesleyhistory.wordpress.com/2013/06/04/college-hall-wellesley-college/

Bilston College: blackcountryhistory.org/collections/getrecord/GB149_P_4094/

Mervyn Peake, Bild zu "The Ancient Mariner" von Coleridge: www.culture24.org.uk/art/painting-and-drawing/art49682

Gerald Wilde, Bild zu Eliots "Rhapsody on a Windy Night": www.iberlibro.com/revistas-y-publicaciones/POETRY-LONDON-Issue-NEW-POETS-NUMBER/30173041758/bd


Helga Kaschl: Frauen in Virginia Woolfs Hogarth Press. Verlag Autonomie und Chaos, Berlin 2022

Im Berliner Verlag Autonomie und Chaos erschien im Juli 2022 eine Online-Ausgabe von "Frauen in Virginia Woolfs Hogarth Press" mit zusätzlichen illustrierenden Hintergrundtexten:

 

autonomie-und-chaos.de/die-buecher/helga-kaschl-frauen-in-virginia-woolfs-hogarth-press
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Das Buch kann kostenlos gespeichert und bei Bedarf ausgedruckt werden (448 Seiten, Format A4).

 


Girton College, Cambridge

Girton College, Cambridge

Margaret Diggle unterrichtete an neun verschiedenen Schulen bzw. Colleges. Hier zu sehen sind die Bartrum Gables School in Broadstairs / Kent (obere Reihe links), das Stockwell College in Bromley / Kent (obere Reihe rechts), das Wellesley College bei Boston / Mass. (untere Reihe links) und  das Bilston College (untere Reihe rechts).


Im Februar 1931 erschien in der Hogarth Press der von Margaret Thomas herausgegebene Sammelband "An Anthology of Cambridge Women's Verse"; er enthält Beiträge von Studentinnen des Girton College und des Newnham College, u. a. von Margaret Diggle, Gwendolen Freeman, Jocelyne Gibson, Alethea Graham, Muriel Hardill, Morwenna Lyne, Helen Megaw, E. E. Phare, F. Picot, Kathleen Raine und Margaret Thomas. Der Umschlag wurde von Virginia Woolfs Schwester Vanessa Bell gestaltet.

Poetry London wurde 1939 von dem indischen Dichter Tambimuttu gegründet; Tambimuttu spielte eine wichtige Rolle in der Literaturszene von London und New York und veröffentlichte in seinem Verlag Editions Poetry London u. a. die Werke von T. S. Eliot, Kathleen Raine und Dylan Thomas.

Das Magazin widmeten sich der zeitgenössischen Poesie gemischt mit literaturkritischen Texten. Margaret Diggle verglich in  Poetry London X "The Ancient Mariner" von Coleridge mit T. S. Eliots "Waste Land"; illustriert wurde diese Nummer mit Bildern von Mervyn Peake zu "The Ancient Mariner" und von Gerald Wilde, der Eliots "Rhapsody on a Windy Night" malerisch ausdrückte.

New Poetry war das Nachfolge-Magazin von Workshop. A Magazine of New Poetry und wurde vom Vorsitzenden der Poetry Society Norman Hidden herausgegeben.

Margaret Diggle veröffentlichte 1980 in New Poetry einen Beitrag über die Dichtkunst von Edwin Muir und Kathleen Raine.


Margaret Diggle - Veröffentlichungen (Auswahl):

"The Earth, Midsummer Eve" / "Sleeping Beauty". In: An Anthology of Cambridge Women’s Verse. Compiled by Margaret Thomas. Hogarth Living Poets, First Series, No. 20, Hogarth Press, London 1931
"The Muse at School". In: Nova Scotia - Journal of Education, Volume 14, No. 2. King's Printer, Halifax, 1943
"The Ancient Mariner and The Waste Land". In: Poetry London X. Ed. by Thurairajah Tambimuttu, Editions Poetry London. Nicholson & Watson, London  1944
"The Mathematics of the Soul". In: Poetry London 11. Ed. by Thurairajah Tambimuttu, Editions Poetry London. Nicholson & Watson, London  1947
"Required Literature Courses as a Contribution to Culture". In: Scrutiny: A Quarterly Review, Vol. 16, No. 3, 1949
"English in Further Education". In: The Use of English, Vol. 5, No. 1-3, Scottish Academic Press, 1954
"Liberal Education for Technical College Students: The Place of English". In: The Vocational Aspect of Secondary and Further Education, Vol. 6, No. 15, 1955
"English for Technical Students: Some Practical Suggestions". In: The Vocational Aspect of Education, Vol. 8, No. 16, 1956
"Mansfield Forbes on the Romantic Revival". With a Preface by I. A. Richards. In: The Cambridge Quarterly, Vol. 6, No. 2, Oxford University Press 1973
"The Poetry of Kathleen Raine and Edwin Muir". In: New Poetry. No. 50. Ed. by Norman Hidden. Workshop Press, London 1980
"Ringmer Poor in Chailey Union, 1835 -1841". In: Ringmer History Booklets No. 1, 1982
"The Chailey Union, 1858 - 1873". In: Ringmer History Booklets No. 2, 1983
"Problem Families in Victorian Ringmer". In: Ringmer History Booklets No. 3, 1984
"The Sad Plight of David Hayler". In: Ringmer History Booklets No. 4, 1985
The Telescope of Years. Collected Poems. Um 1990 (Girton College Archiv)