JANE ELLEN HARRISON

9. September 1850 – 15. April 1928

 

Altertumswissenschaftlerin, Archäologin, Philologin, Übersetzerin

 

 

Jane Ellen Harrison, eine der ersten Frauen, die sich in der akademischen Welt durchsetzen konnte, gilt - mit den Klassischen Philologen Karl Kerenyi und Walter Burkert - als Begründerin der modernen wissenschaftlichen Erforschung der griechischen Mythologie. Sie gehörte der frühen Frauenbewegung an und verwendete ihre Lehrtätigkeit in Anthropologie auch dafür, für die Rechte der Frauen einzutreten.

Jane Harrison wurde in Cottingham, einer kleinen Gemeinde in der Nähe von Kingston Upon Hull / Yorkshire, geboren. Ihre Mutter Elizabeth Hawksley Nelson, stammte aus einer wohlhabenden Farmer- und Seifenhersteller-Familie in Great Limber / Lincolnshire und liebte die Poesie; sie starb kurz nach der Geburt von Jane Harrison an Kindbettfieber. Ihr Vater Charles Harrison war Holzgroßhändler mit Handelsbeziehungen zu Russland - eines der frühen Worte der kleinen Jane war "Moscow", der Name ihres Hundes.

Mit ihren zwei älteren Schwestern Elizabeth und Lucy wurde sie von Gouvernanten erzogen, lernte Sprachen wie Deutsch, Latein, Griechisch, Hebräisch und erweiterte im Lauf des Lebens ihre Kenntnisse auf etwa sechzehn Sprachen, darunter auch Russisch. Zu Beginn ihres Buches "Aspects, Aorists and the Classical Tripos" schrieb sie, dass sie nur zweimal in ihrem Leben in eine Sprache verliebt war: vor langer Zeit in Griechisch und dann erst später wieder in Russisch, und zwar in die Sprache und nicht in die Literatur. Eine der Gouvernanten - eine religiöse Fanatikerin - wurde ihre Stiefmutter und trug dazu bei, dass sie sich von der Religion abwandte; die Lektüre von Darwin machte sie endgültig zur Agnostikerin.

Ab 1868 besuchte sie zwei Jahre das sehr fortschrittliche Cheltenham Ladies’ College in Gloucestershire, erwarb ein Diplom und kehrte nach Hause zurück, um ihre jüngeren Stiefgeschwister zu unterrichten. Mit Erreichen der Volljährigkeit wurde ihr das Erbe ihrer Mutter, ein jährliches Einkommen von 300 Pfund, zugesprochen, was ihr eine gewissen Selbstständigkeit ermöglichte. 1874 absolvierte sie die Cambridge University Eignungsprüfung für Frauen und erhielt ein Stipendium am 1871 gegründeten Newnham College.

Sie begann Altphilologie zu studieren, formte ihren eigenen Stil, trug avantgardistische Kleidung und entwickelte eine Ausstrahlung, die später viel zum Erfolg ihrer Vorträge beitragen sollte. Ihre Lehrer für Griechisch und Latein waren Arthur Woolgar Verrall und Samuel Henry Butcher, in den sie sich unglücklich verliebte. Zu ihren Freundinnen gehörten u. a.: die Wirtschaftswissenschaftlerin Mary Paley, die den Nationalökonomen Alfred Marshall heiratete, der daraufhin seine Professur aufgeben musste, da sie seine Studentin war; Margaret de Gaudrion Merrifield, dem Spiritualismus und Okkultismus zugeneigt, die den Altphilologen Arthur Woolgar Verrall heiratete; Ellen Wordsworth Crofts, die den Botaniker Francis Darwin heiratete und ihre lebenslange Freundin wurde.

Da Jane Harrison 1879 ihr Studium nur mit "second-class marks" abschloss, wurde ihre Bewerbung um einen Lehrauftrag abgelehnt. Sie ging daraufhin nach London und studierte bei Sir Charles Newton Griechisch, am British Museum Archäologie und machte eine Spezialausbildung über griechische Vasenmalerei; Charles Newton vertrat ein neues Geschichtsverständnis, in dem nicht nur schriftliche Zeugnisse sondern auch Mythen, Rituale, Lieder und Kunstgegenstände als Quellen herangezogen wurden.

Jane Harrison übernahm diesen Ansatz und fand im Vergleich von Homers Odyssee-Übersetzungen mit Malereien auf griechischen Vasen Ursprünge aus der Mythologie; aus den Motiven der Malereien zog sie Rückschlüsse auf Mythen und religiöse Rituale, eine Sichtweise, die in der frühen klassischen Archäologie nicht üblich war.

In London lernte sie die um zehn Jahre jüngere Eugenie Sellers (später Strong) kennen, die 1882 ihr Studium am Girton College abgeschlossen hatte, ebenfalls bei Charles Newton Klassische Archäologie studierte und 1891 erste Studentin der British School at Rome wurde; es begann eine Freundschaft, in der Harrison einen prägenden Einfluss ausübte.

1881/1882 machte sie mit Mabel Malleson, einer um acht Jahre jüngeren Freundin aus Newnham, eine Reise durch Europa; sie besuchten Museen in Deutschland, wo Harrison die Archäologen Ernst Curtius - Leiter der Ausgrabungen in Olympia - und Heinrich Brunn kennen lernte, fuhren weiter nach Italien, besuchten hier Florenz, Rom, Volterra, Neapel und Palermo, und segelten schließlich nach Athen; während dieser Reise fertigte Mabel Malleson Zeichnungen von Kunstgegenständen an bzw. fotografierte diese.

Jane Harrison hielt in dieser Zeit eine Reihe von Vorlesungen über griechische Kunst am British Museum, am South Kensington Museum, am College for Working Women, an öffentlichen Schulen in London und in der Provinz und wurde wegen ihrer offenen und unkonventionellen Sicht vor allem bei ihrem Zuhörerinnen sehr populär; so besuchten etwa 1600 Menschen ihrer Glasgower Vorlesung über griechische Grabsteine. Ihre erfolgreichen Vorlesungen führten dazu, dass ihr Kurse an der London Society for Extension of University Teaching angeboten wurden. Darüber hinaus hielt sie - als erste Frau in einem Cambridger Universitätsgebäude - Vorlesungen über klassische Archäologie im Archaeology Lecture Room.

1886 begann ihre enge Beziehung zu dem schottischen Maler, Dichter und Kritiker Dugald Sutherland MacColl, der an der Westminister School of Art und der Slade School Kunst studierte und später Kunstkritiken für den Spectator und die Saturday Review schrieb. Seine Kritik an ihrem Zugang zu Kunst hatte Einfluss auf ihre Betrachtungsweise, indem sie nicht mehr die ideale Kunst als vorrangig sah, sondern den Einfluss von Religionen, Mythen und Bräuchen stärker mit einbezog. Gemeinsam mit MacColl reiste sie im Frühjahr 1888 nach Griechenland, Konstantinopel, Italien und Deutschland; in Griechenland lernte sie Wilhelm Dörpfeld kennen, der an Ausgrabungen auf der Akropolis und in Troja teilnahm und als Begründer des wissenschaftlichen Grabungswesens gilt. Als Ergebnis dieser Reise gaben sie 1894 gemeinsam einen Band über griechische Vasenmalerei heraus, in dem MacColls bemerkenswerte Detailzeichnungen von Szenen auf Vasen, Tassen etc. abgebildet sind. Ihre private Beziehung scheiterte, nachdem MacColl ihr einen Heiratsantrag machte, den sie ablehnte: in ihren Erinnerungen meinte sie, dass die Ehe zwei Dinge behindere, die ihr wichtig sind, nämlich Freundschaft und Lernen.

Um 1892 befreundete sie sich mit dem Schotten Robert Alexander Neil, Orientalist und Altphilologe am Pembroke College in Cambridge; ihre enge universitäre wie auch private Beziehung endete 1901, als Neil an einer Blinddarmentzündung verstarb - ein Schock für Jane Harrison, die seit dem Tod der Mutter nach ihrer Geburt eine panische Angst hatte, ihr Nahstehende zu verlieren.

1895 erhielt Jane Harrison für ihre wissenschaftliche Arbeit als erste Frau ein Ehrendoktorat der University of Aberdeen und zwei Jahre später einen Ehrendoktor für Literatur des Durham College. Diese Anerkennungen boten ihr die Möglichkeit, 1898 an das Newnham College zurückzukehren, wo sie bis zu ihrer Pensionierung 1922 forschte und klassische Philologie, Archäologie und Anthropologie lehrte. Newnham gab ihr auch die Möglichkeit, durch eine relativ freie Zeiteinteilung, auf Forschungsreisen zu gehen und zu schreiben; so unternahm sie 1901 mit ihrer Lieblingsstudentin - ihrer "first first" - Jessie Graham Crum, später verheiratete Stewart, eine Forschungsreise nach Griechenland, um Wilhelm Dörpfeld zu treffen, der zu dieser Zeit Ausgrabungen der Mittel- und Unterstadt von Pergamon leitete.

Jessie Stewart war eine begabte Zeichnerin und Illustratorin und fertigte für die Veröffentlichungen von Harrison, die in ihr nicht nur eine gute Archäologin sondern auch eine Künstlerin sah, zahlreiche Zeichnungen von Inschriften, Münzen, Skulpturen und Vasen an; 1959 veröffentlichte sie "Jane Ellen Harrison. A Portrait from Letters", eine Biografie, die weniger auf das Werk einging als auf die Wirkung und den Einfluss von Harrison auf Freunde und Studierende.

Jane Harrison veränderte mit ihrem bedeutenden Werk "Prolegomena to the Study of Greek Religion" (1903) die Forschungslandschaft; sie ging davon aus, dass Ritualen mythische Vorstellungen zugrunde liegen und analysierte die bekanntesten Athener Feste (Anthesteria, die Erntefeste Thargelia, Kallynteria, Plynteria, die Frauenfeste Themophoria, Arrophoria, Skirophoria, Stenia und Haloa), wobei sie viele archaische Überlieferungen entdeckte.

In Cambridge arbeitete sie mit dem Altphilologen Gilbert Murray, mit dem Klassischen Archäologen und Religionswissenschaftler Arthur Bernard Cook und dem Altphilologen Francis Macdonald Cornford zusammen; sie war die zentrale Figur der Gruppe, die als Cambridger Ritualists bekannt wurde und dafür eintrat, Anthropologie und Ethnographie auf die Studien der klassischen Kunst anzuwenden. Ihre enge emotionale Beziehung zu dem um vieles jüngeren Cornford scheiterte, als er 1909 Frances Crofts Darwin, die Tochter ihrer Freundin Ellen Wordsworth Crofts, heiratete und sie damit in tiefe Verzweiflung stürzte.

Zu ihrem großen Bekanntenkreis gehörten u. a. Edward Burne-Jones und Walter Pater, Bertrand Russell, Lytton Strachey, Clive Bell und Roger Fry; mit Ottoline Morrell verband sie die pazifistische Einstellung, ihre in Sozialstrukturen fundierte Mythentheorie beeinflusste Dichter wie Ezra Pound und T. S. Eliot; Virginia Woolf war beeindruckt von ihrem Denken und ihrem selbstständigen Leben, Jane Harrison versinnbildlichte das, was sie in ihrem Essay "A Room for One's Own" zum Ausdruck bringen wollte: Frauen brauchen ein regelmäßiges Einkommen und einen Raum für sich, um unabhängig ihre Fähigkeiten entwickeln zu können.

1910 fand sie in ihrer Studentin Hope Mirrlees (siehe Eintrag) eine Seelenverwandte, die sie bis zu ihrem Lebensende begleiten sollte. Es entwickelte sich eine enge Beziehung, sie betrieben gemeinsame Studien, veröffentlichen Bücher, reisten und lebten zusammen - und kommunizierten in ihrer sehr privaten Korrespondenz etwas schrullig und exaltiert über Tiergestalten, wie den Bären, der eine Art Ehemann für beide darstellte, oder das junge und das alte Walross.

Trotz ihrer Verpflichtungen in Newnham ging Jane Harrison 1915 aus Krankheitsgründen - sie hatte chronische Angina - in Begleitung von Hope Mirrlees nach Paris; sie wohnten im Hotel de l'Elysee, beschäftigten sich mit russischer Kultur und studierten Russisch an der Ecole de Langues Orientales. Nach ihrer Rückkehr im Juni 1916 unterrichtete sie wieder am Newnham College, mit einem erweiterten Unterricht in Altslawisch, Polnisch, Arabisch und Spanisch.

Jane Harrison war überzeugte Pazifistin und Kriegsgegnerin, nach dem Ersten Weltkrieg besuchte sie z. B. nie mehr Italien oder Griechenland.

1922 ging sie in Pension und übersiedelte mit der um 37 Jahre jüngeren Hope Mirrlees nach Paris; sie teilten sich im American Women’s University Club (Rue de Chevreuse 4) eine Wohnung, arbeiteten gemeinsam an Übersetzungen aus dem Russischen und Jane Harrison schrieb an ihren Erinnerungen, die 1925 in der Hogarth Press erschienen. Anlässlich einer Reise nach Paris 1923 besuchte Virginia Woolf Jane Harrison und war beeindruckt von ihrer Erscheinung - "galante, alte Dame, sehr weiß, sehr ergraut, und ehrfurchtgebietend in einer Spitzenmantilla" - und von ihrer "superben, hochdenkenden, agnostischen Art".

1925 verließen Jane Harrison und Hope Mirrlees Paris, machten Urlaub in Südfrankreich, wo sie u. a. Andre Gide besuchten, und kehrten schließlich im Frühjahr 1926 nach London zurück. Jane Harrison begann ihre Schriften zu überarbeiten und erweiterte ihre Sprachkenntnisse in Isländisch und Persisch. An der Ecke zu Bloomsbury, in der Mecklenburgh Street 11, mieteten sie eine Wohnung und lebten dort bis zu Jane Harrisons Tod im April 1928.

Kurz davor machte Virginia Woolf noch einen Besuch bei der an Leukämie erkrankten Jane Harrison und fand sie sehr schwach aber auch "ziemlich erhaben" vor. In ihrem Kondolenzbrief an Hope Mirrlees tröstete sie diese mit den Worten, dass sie alles für ihre Gefährtin gewesen sei und sie nicht vergessen sollte, was sie gehabt habe.

Jane Harrison wurde am St.-Marylebone-Friedhof in East-Finchley, North London begraben.

 

Jane Ellen Harrisons Werke sind bis heute erhältlich: als Reprint oder Neuauflage, zum großen Teil auch digitalisiert.

 


Literatur- und Quellenverzeichnis:

J. Howard Woolmer: A Checklist of the Hogarth Press. 1917–1946. Woolmer/Brotherson Ltd., Revere, Pennsylvania 1986

Virginia Woolf: Briefe 1. 1888–1927. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2006

Nigel Nicolson (Ed.): A Change of Perspective. The Letters of Virginia Woolf. Volume III: 1923–1928. The Hogarth Press, London 1977

Virginia Woolf: Tagebücher 2, 1920–1924, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1994

Virginia Woolf: Tagebücher 3, 1925–1930, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1999

Hermione Lee: Virginia Woolf. Ein Leben. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1999

Michael Swanwick: Hope-in-den-Nebeln. Nachwort in "Hope Mirrlees: Flucht ins Feenland". Piper Verlag, München - Zürich 2004

Ulrike Rambuschek: Jane Ellen Harrison und die Neuentdeckung der griechischen Religion. In: Jana Esther Fries / Doris Gutsmiedl-Schümann: Ausgräberinnen, Forscherinnen, Pionierinnen. Ausgewählte Porträts früher Archäologinnen im Kontext ihrer Zeit. Frauen - Forschung - Archäologie, Band 10. Waxmann Verlag, Münster 2013

Martin Bernal: Geography of a Life. Xlibris Corporation, 2012

Sybil Oldfield (Ed.): Afterwords. Letters on the Death of Virginia Woolf. Rutgers University Press, New Brunswick, New Jersey 2005

Susan Brown, Patricia Clements, Isobel Grundy: The Orlando Project. 2006–2017: orlando.cambridge.org/public/svPeople?person_id=harrja

de.wikipedia.org/wiki/Jane_Ellen_Harrison

en.wikipedia.org/wiki/Jane_Ellen_Harrison

archive.org (Suche: Harrison, Jane Ellen)

www.presocratics.org/presocratics/bibliography/jane-ellen-harrison-gallery/

www.dictionaryofarthistorians.org/harrisonj.htm

www.bbc.co.uk/legacies/work/england/gloucestershire/gallery_4.shtml

www.dictionaryofarthistorians.org/maccolld.htm

de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Curtius

de.wikipedia.org/wiki/Eugénie_Sellers_Strong

en.wikipedia.org/wiki/Dugald_Sutherland_MacColl

de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Dörpfeld

 

Veröffentlichungen über Jane Ellen Harrison (Auswahl):

Jessie G. Stewart: Jane Ellen Harrison. A Portrait from Letters. The Merlin Press, London 1959

Sandra J. Peacock: Jane Ellen Harrison. The Mask and the Self. Yale University Press, 1988

Mary Beard: The Invention of Jane Harrison. Harvard University Press, 2000

Annabel Robinson: The Life and Work of Jane Ellen Harrison. Oxford University Press, Oxford 2002

Camille Barnard-Cogno: Jane Harrison (1850–1928), between German and English Scholarship. In: European Review of History. Band 134, 2006, S. 661–676

Ulrike Rambuschek: Jane Ellen Harrison und die Neuentdeckung der griechischen Religion. In: Jana Esther Fries / Doris Gutsmiedl-Schümann: Ausgräberinnen, Forscherinnen, Pionierinnen. Ausgewählte Porträts früher Archäologinnen im Kontext ihrer Zeit. Frauen - Forschung - Archäologie, Band 10. Waxmann Verlag, Münster 2013

 

Bildnachweis:

Jane Harrison mit 33 / Jane Harrison in Cambridge / Jane Harrison mit Hope Mirrlees: www.presocratics.org/presocratics/bibliography/jane-ellen-harrison-gallery/

Satyr bei der Weinernte: Szene auf einer attischen Amphore. Zeichnung Dugald MacColl. www.flickr.com/photos/69184488@N06/8269415733/in/album-72157632236445701/

Jane Ellen Harrison 1925: Bleistiftzeichnung von Theo van Rysselberghe, NPG 5220

www.npg.org.uk/collections/search/person/mp02065/jane-ellen-harrison?search=sas&sText=Jane+Ellen+Harrison

 


Helga Kaschl: Frauen in Virginia Woolfs Hogarth Press. Verlag Autonomie und Chaos, Berlin 2022

Im Berliner Verlag Autonomie und Chaos erschien im Juli 2022 eine Online-Ausgabe von "Frauen in Virginia Woolfs Hogarth Press" mit zusätzlichen illustrierenden Hintergrundtexten:
 
autonomie-und-chaos.de/die-buecher/helga-kaschl-frauen-in-virginia-woolfs-hogarth-press


oder
d-nb.info/1262912083/34

Das Buch kann kostenlos gespeichert und bei Bedarf ausgedruckt werden (448 Seiten, Format A4).

Jane Ellen Harrison in Cambridge:

Links der Romanist Hugh Fraser Stewart, der 1902 ihre "first first" Lieblingsstudentin Jessie Graham Crum heiratete, in der Mitte und rechts ihre Kollegen Gilbert Murray und Francis Cornford.

 

 


Im Frühjahr 1888 besuchte Jane Harrison mit dem schottischen Maler und Kunstkritiker Dugald Sutherland MacColl Griechenland, Konstantinopel, Italien und Deutschland. Als Ergebnis dieser Reise gaben sie sechs Jahre später den reich illustrierten Band "Greek Vase Paintings" heraus.

Bild unten: Satyr bei der Weinernte, Szene auf einer attischen Amphore. Zeichnung Dugald MacColl. 

Jane Harrison widmete eines ihrer Hauptwerke, das 700 Seiten starke Buch "Prolegomena to the Study of Greek Religion", ihren langjährigen Freunden Margaret und Arhur Verall; "Primitive Athens" ist ihrem Mentor Wilhelm Dörpfeld gewidmet. In beiden Büchern dankte sie u. a. auch Gilbert Murray und Francis Cornford für ihre Mitarbeit und vor allem Jessie Stewart, die sie sowohl als wissenschaftliche Mitarbeiterin als auch als begabte Zeichnerin schätzte.

"Epilegomena to the Study of Greek Religion", ist 1921 erschienen und wird - wie auch die anderen Werke - bis heute wiederholt neu aufgelegt, Jane Harrison widmete es "in Erinnerung an spanische Nächte und Tage" ihrer Freundin Hope Mirrlees. In dem 40 Seiten starken Büchlein versuchte sie so kurz und prägnant wie möglich die Egebnisse ihrer langjährigen Studien über die Ursprünge griechischer Religion zusammen zu fassen und daraus auf religiöse Fragen der Neuzeit zu schließen.

Um 1909 tritt Jane Harrison in "Homo Sum" - ein Text, der sich an einen unbekannten Mann richtet, der gegen das Frauenwahlrecht ist - für dieses Recht ein und entkräftet die Gegenargumente.

Im Oktober 1925 veröffentlichte sie in der Hogarth Press "Reminiscences of a Student’s Life"; das Buch hatte 91 Seiten, war mit Fotografien versehen  und erschien in einer Auflage von 1000 Stück; weitere 1000 wurden bereits im Dezember und 750 im Juli 1926 nachgedruckt.  Für Virginia Woolf waren die Memoiren Jane Harrisons prägend und hatten Einfluss auf ihr 1929 erschienenes Buch "A Room of One’s Own" ("Ein Zimmer für sich allein").

Während ihres Paris-Aufenthaltes begannen Jane Harrison und Hope Mirrlees mit Übersetzungen aus dem Russischen: In der Hogarth Press erschien im November 1924 "Avvakum. The Life of the Archpriest Avvakum by Himself". Awwakum Petrow hatte im 17. Jahrhundert eine wichtige Rolle für die altrussische Literatur gespielt; seine Autobiografie war in Altslawisch, vermischt mit volkssprachlichen Elementen geschrieben.

1926  erschien in der Nonesuch Press "The Book of the Bear" mit russischen Märchen und Illustrationen von Ray Garnett.

Mit ihrer Studentin Hope Mirrlees verbrachte Jane Harrison die letzten Jahre ihres Lebens.


1959 veröffentlichte Jessie Stewart "Jane Ellen Harrison. A Portrait from Letters". Jane Harrison schrieb während ihrer langen Freundschaft mit Gilbert Murray an die achthundert Briefe. Die witzigen und originellen Texte lassen ein lebendiges Bild entstehen von der Forscherin und Archäologin, von der Newnham-Dozentin, die sich für die Gleichberechtigung von Frauen im Universitätsbetrieb einsetzte, von der überzeugten Kriegsgegnerin und von der Lehrerin, die es verstand, ihre StudentInnen anzuregen und zu faszinieren.


Jane Ellen Harrison - Veröffentlichungen (Auswahl):

Myths of the Odyssey in Art and Literature. Rivingtons, London 1882 / archive.org/details/mythsodysseyina00harrgoog

Introductory Studies in Greek Art. T. Fisher Unwin, London 1885

Introductory Essay and Archeological Commentary. In: Mythology & Monuments of Ancient Athens. Beeing a Translation of a Portion of the ,Attica’ of Pausanias by Margaret de G. Verrall. Macmillan, London 1890 / archive.org/details/mythologyandmonu00pausiala

With Dugald Sutherland MacColl: Greek Vase Paintings. A Selection of Examples. T. Fisher Unwin, London 1894

Prolegomena to the Study of Greek Religion. Cambridge University Press, Cambridge 1903 / archive.org/details/prolegomenatostu00harr

The Religion of Ancient Greece. Archibald Constable, London 1905 / archive.org/details/religionancient00harrgoog

Primitive Athens as described by Thucydides. Cambridge University Press, Cambridge 1906 / archive.org/details/primitiveathensa00harruoft

Preface. In: Edmond Pottier: Douris and the Painters of Greek Vases. John Murray, London 1909

Homo sum. Being a Letter to an Anti-Suffragist from an Anthropologist. The National Union of Women’s Suffrage Societies, Westminster 1909 (?)

Heresy and Humanity (Watts, London 1911)

Themis. A Study of the Social Origins of Greek Religion. Cambridge University Press, Cambridge 1912 / archive.org/details/themisstudyofsoc00harr / revidierte Fassung 1927

Ancient Art and Ritual. Henry Holt, New York / Williams and Norgate, London 1913 / archive.org/details/ancientartritual00harruoft

Alpha and Omega. Essays from Experience. Sidgwick & Jackson, Adelphi 1915

Aspects, Aorists and the Classical Tripos. Cambridge University Press, Cambridge 1919 / archive.org/details/aspectsaoristscl00harrrich

Epilegomena to the Study of Greek Religion and Themis. A Study of the Social Origins of Greek Religion. Cambridge University Press, Cambridge, Cambridge 1921 / archive.org/details/epilegomenatostu00harruoft

Reminiscences of a Student's Life. Hogarth Press, London 1925

 

Übersetzungen:

Avvakuum. The Life of Archpriest Avvakum by Himself. Translated from the Seventeenth Century Russian by Jane Harrison and Hope Mirrlees, with a Preface by Prince D. S. Mirsky. Hogarth Press, London 1924

The Book of the Bear. Being Twenty-one Tales newly translated from the Russian by Jane Harrison and Hope Mirrlees. The Pictures by Ray Garnett. With a Preface and Epilogue. The Nonesuch Press, London 1926