MARGARET RHONDDA

12. Juni 1883 – 20. Juli 1958

 

Frauenrechtlerin, Schriftstellerin, Herausgeberin, Geschäftsfrau

 

 

Lady Rhondda, geb. Margaret Haig Thomas, verheiratete Margaret Haig Mackworth, war das einzige Kind von Sybil Margaret Thomas, geb. Haig (1857–1942) und David Alfred Thomas, Viscount Rhondda (1856–1918).

Ihre Mutter stammte aus einer alten walisischen Familie, die ihren Wohnsitz in Powys hatte (Pen Ithon Estate, Llanbadarn Fynydd), und deren weibliche Mitglieder - zum Teil militant - für das Frauenwahlrecht eintraten: so wurde Margaret in ihrem späteren Engagement sowohl von ihrer Mutter als auch von deren Schwestern Charlotte und Janet und von Cousinen ihrer Mutter (Florence, Cecilia und Louisa Evelyn) unterstützt. Ihr Vater besuchte die Cambridge University, wurde erfolgreicher Geschäftsmann, war liberaler Abgeordneter im Parlament für Merthyr Tydfil, dem Eisen- und Kohlerevier in Südwales, und während des Ersten Weltkrieges Minister für Ernährungsfragen. Ab 1888 lebte die Familie in Llanwern House, einem sehr großen Anwesen im südwalisischen Monmouthshire mit Blick auf den Bristolkanal.

Margaret kam in London (Princes Square, Bayswater) zu Welt und wurde bis zu ihrem dreizehnten Lebensjahr von Gouvernanten erzogen; sie lernte Deutsch, Französisch und Walisisch, durch ihre Tante Charlotte wurde sie zu einer begeisterten Leserin und ihr Vater machte sie - erzählend - mit seinen Geschäften vertraut. Ab 1896 besuchte sie für zwei Jahre die 1873 für Mädchen gegründete Notting Hill Highschool in London, wo sie - mit Unterstützung ihrer Verwandten - begann, das Magazin Spring Star bzw. Shooting Star herauszugeben; dann wechselte sie zur St. Leonards School im schottischen St. Andrews, deren Leitsatz es war, dass "ein Mädchen genau dieselbe Bildung empfangen sollte, wie ihr Bruder, wenn nicht besser". Hier lernte sie zu diskutieren und politische Denk- und Herrschaftsmodelle zu analysieren. Nach Abschluss der Schule wurde sie in die Gesellschaft eingeführt: ein Prozess, der sie einschüchterte, langweilte, aber auch Druck auf sie ausübte und die Furcht entstehen ließ, keinen Ehemann zu finden. Außerhalb der Saison in London genoss sie die ländliche Umgebung von Llanwern, las viel, lernte Autofahren und erkundete mit ihrem Auto die Umgebung. Um keine vierte Saison in London erleben zu müssen, flüchtete sie sich in ein Studium und begann am Somerville College in Oxford zu studieren. Nach einem Jahr gab sie das Studium auf, kehrte nach Hause zurück und arbeitete im Sekretariat ihres Vater.

Sie lernte Humphrey Mackworth kennen, ältester Sohn von Sir Arthur und Lady Mackworth, der in unmittelbarer Nachbarschaft von Llanwern, in Carlon-upon-Usk, lebte. Er war wohlhabend, kultiviert, hatte ausgezeichnete Manieren und sie versuchte sich einzureden, die wahre Liebe gefunden zu haben: am 9. Juli 1908 heiratete sie den um zwölf Jahre älteren in der Pfarrkirche von Monmouth. Das Paar lebte zunächst ins Llansoar, Caerlon, bis sie Oaklands House in Llanhennock beziehen konnten, ein Hochzeitsgeschenk ihres Vaters und in nächster Nähe zu Lllanwern. Nach anfänglicher Harmonie stellte sich bald heraus, dass ihre Interessen sowohl privat als auch politisch sehr verschieden waren, dass sie einfach nicht zusammen passten. Die Ehe wurde schließlich 1923 geschieden.

Kurz nach ihrer Hochzeit besuchte Margaret erstmals eine Versammlung für Frauenwahlrecht; ein paar Monate später trat sie - gegen den Willen ihres Vaters und ihres Mannes - in die Women’s Social and Political Union (WSPU) ein, die 1903 in Manchester gegründet worden war und sich für Frauenrechte und für Sozialreformen in Zusammenarbeit mit der Labour Party einsetzte. Sie gründete eine örtliche Zweigstelle in Newport, schrieb Beiträge für Lokalzeitungen, organisierte Treffen, hielt Vorträge im Liberalen Club, interviewte Lokalpolitiker und studierte die entsprechende Literatur, um qualifiziert für die Rechte der Frauen eintreten zu können. Material dafür fand sie vor allem in der Cavendish-Bentick Bibliothek in London (heute Women’s Library), die 1909 von Ruth Cavendish-Bentick, ebenso Mitglied der WSPU, gegründet worden war.

Sie wurde als militante Feministin aktiv, sprengte im Juni 1913 einen Briefkasten in Newport und wurde verhaftet; nachdem sie sich weigerte Bußgeld zu zahlen, wurde sie zu einer einmonatigen Haftstrafe verurteilt. Im Gefängnis von Usk, einer Kleinstadt nordöstlich von Newport, trat sie sofort in Hungerstreik und wurde - auch wegen der guten Beziehungen ihres Mannes - nach fünf Tagen freigelassen; das Bußgeld war mittlerweile anonym bezahlt worden. Daraufhin und wohl auch aus Rücksicht auf ihre Familie - durch den Tod ihres Schwiegervaters wurde sie Lady Mackworth - distanzierte sie sich zwar von militanten Aktionen der WSPU, setzte sich aber weiterhin für die Rechte der Frauen ein. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges stellte die WSPU ihre militanten Kampagnen in den Hintergrund und unterstützte die Kriegsvorbereitungen ihres Landes.

David A. Thomas führte seine Tochter in die verschiedenen Zweige seines Unternehmens ein und machte sie zur engen Mitarbeiterin; im Juni 1914 übergab er ihr die Leitung der Zeitungsabteilung, zu der sechs lokale walisischen Zeitungen gehörten; sie bekam Handlungsvollmacht für seine Geschäfte, darunter die South Wales Printing und Publishing Company, die British Fire Insurance Company und die Kohlegruben. Nachdem Thomas von der britischen Regierung beauftragt worden, die Munitionsversorgung der Truppen durch die USA zu sichern und mehrere Wochen in den USA und Kanada auch seinen eigenen Geschäften nachging, fuhr sie ihm nach und verbrachte einen Monat in New York - eine Zeit die sie genoss und in der sie lernte, ihre Schüchternheit abzulegen. Die Rückfahrt sollte allerdings in einer Katastrophe enden: nach einer Woche auf See sank am 7. Mai 1915 ihr Schiff, der zur Cunard Line gehörende Luxusdampfer Lusitania, nach einem deutschen Torpedoangriff innerhalb von 18 Minuten vor der irischen Küste. Trotz Höhenangst sprang Margaret von Deck und konnte sich dank ihrer Schwimmweste - sie konnte nicht schwimmen - zu Wrackteilen retten; Stunden später wurde sie vom Rettungsschiff Bluebell bewusstlos aufgefunden und mit den anderen Geretteten nach Queenstown (heute Cobh) gebracht, wo sie wieder auf ihren Vater traf. Margaret brauchte einige Monate, um das Schiffsunglück, bei dem rund 1200 Menschen ums Leben kamen, zu verarbeiten. Sie kam zu der Überzeugung, dass sie nur deshalb zu den Überlebenden gehörte, weil sie in ihrem Leben noch wichtige Aufgaben zu erfüllen hatte.

1917 wurde sie Beauftrage für den Frauen-Wehrdienst von Wales; in dieser Funktion war sie verantwortlich, Frauen für die landwirtschaftliche Arbeit zu rekrutieren und die Sammlung von Papier, Stoffen und Wolle zu organisieren. Ihr unermüdlicher Einsatz führte dazu, dass sie ab November die Frauen-Rekrutierungs Stelle im Ministry of National Service leitete und den Kontakt zwischen Ministerium und Women’s Land Army, Women’s Legion, Voluntary Aid Detachment und anderen lokalen Institutionen herstellte und verbesserte. Sie war auch Mitglied - das einzig weibliche - in einer Kommission zur Überprüfung von Missständen bei Arbeiten für das Ministry of Munitions, organisierte im Frauenbeirat des Wiederaufbau-Ministeriums die Demobilisierung von Frauen und Männern und leitete ein Komitee, welches sich um Gesundheit und Wiedereingliederung der freiwilligen KriegshelferInnen kümmerte.

Während des Ersten Weltkrieges übernahm Margaret auch zunehmend die Geschäfte ihres Vaters, der zum Minister für Ernährungsfragen ernannt worden war. Als David A. Thomas, kurz nachdem er zum Viscount Rhondda geadelt wurde, im Juli 1918 starb, wurde seine Tochter Alleinerbin seiner Geschäfte, seines Vermögens und seines Titels, der sie zu einem Sitz im House of Lords berechtigt hätte. 1919 wurde der "Sex Disqualification (Removal) Act" beschlossen, der besagt: "eine Person kann nicht aufgrund ihres Geschlechts oder Familienstandes von der Ausübung eines öffentlichen Amtes ausgeschlossen werden." Trotzdem dauerte es bis März 1922, dass der nunmehrigen Viscountess Rhondda vom "Committee of Privileges" das Recht zugestanden wurde, einen Sitz im House of Lords einzunehmen. Heftige Proteste der Lords führten jedoch dazu, dass ein neuerlich einberufenes Komitee, ihren Anspruch für nichtig erklärte.

Trotz ihrer zahlreichen geschäftlichen Verpflichtungen setzte sich Margaret weiterhin dafür ein, dass die Rechte der Frauen gesetzlich angepasst werden und bemühte sich um eine Aufhebung der Altersbegrenzung beim Wahlrecht für Frauen. Sie gründete zahlreiche Frauenvereine und Clubs, stand vielen Gremien vor, deren Ziel es war, Frauen am Arbeitsmarkt und in der Politik zu unterstützen: eine dieser Initiativen war die Six Point Group, die sie gemeinsam mit Cicely Hamilton, Rebecca West und Elizabeth Robins 1921 gründete und deren Motto "Equality First" war. Schwerpunkte waren die Forderungen nach gesetzlichen Grundlagen gegen Kindesmissbrauch, Stärkung der Stellung von ledigen Müttern, Rechtsgleichheit beider Elternteile in der Vormundschaft, gleichen Möglichkeiten in Staatsberufen, gleicher Bezahlung in Lehrberufen und Pensionen für Witwen. Ihre Aktivitäten führten bald dazu, dass an die dreißig Frauenvereinigungen sich diesem Punktekatalog anschlossen; um nur einige zu nennen, waren dies: British Federation of University Women, National Union of Women Teachers und Federation of Women Civil Servants. Die Aktivitäten und der Zusammenschluss vieler Frauengruppen führte dazu, dass Margarets Kampf für gleiche politische Rechte im Juli 1926 zur erfolgreichen Demonstration im Hyde Park führten, die das Wahlrecht für alle Frauen ab 21 Jahre forderte; allerdings wurde erst 1928 das Ziel, die volle Gleichberechtigung beim Wahlrecht, erreicht.

Mit der Präsenz und Art der Berichterstattung zum Thema "Wahlrecht und Gleichheit für Frauen" in den Tageszeitungen unzufrieden und der festen Überzeugung, dass eine Wochenzeitschrift seriöser und profunder damit umgehen kann, gründete Margaret am 14. Mai 1920 die Wochenzeitschrift Time and Tide. Mit den Erfahrungen, die sie schon früh im Geschäft ihres Vaters gesammelt hatte, konzipierte sie die Zeitschrift nach dem Muster des New Statesman, aber mit hauptsächlich weiblicher Besetzung und kümmerte sich um die Finanzierung. Die Leitung bestand aus Margaret Rhondda, ihrer Freundin und Weggefährtin Helen Archdale, der Botanikerin Helen Gwynne-Vaughan, der Ärztin Alexandra Chalmers-Watson, der Schriftstellerin Elizabeth Robins, Christine Maguire und der Schauspielerin Dorothea Baird (Mrs. H. B. Irving). Viele bekannte Namen finden sich unter den BeiträgerInnen bzw. MitarbeiterInnen der auch international gut ankommenden Zeitschrift: Nancy Astor, Stella Benson, Phyllis Bentley, Vera Brittain, E. M. Delafield, Cicely Hamilton, Winifred Holtby, Rose Macaulay, Naomi Mitchison, Elizabeth Robins, Dorothy L. Sayers, Ethel Smyth, Helena Swanwick, Rebecca West, Ellen Wilkinson, Virginia Woolf; aber auch Männer wie George Bernard Shaw, ein großer Bewunderer von Margaret Rhondda, W. H. Auden, T. S. Eliot, Christopher Isherwood, Wyndham Lewis, Ezra Pound, Stephen Spender, H. G. Wells und Leonard Woolf leisteten ihren Beitrag. Nachdem 1928 die rechtliche Gleichstellung von Frauen erreicht worden war, wurden die Themenbereiche Gesellschaft, Kunst, Literatur und Politik ausgeweitet, um einen breiteren LeserInnenkreis ansprechen zu können; die Anzahl der Buchbesprechungen wurde erhöht, literarische Texte wie z. B. Auszüge aus Virginia Woolfs "A Room of One's Own" wurden veröffentlicht.

Mit Helen Archdale verband sie eine intensive Freundschaft: sie teilten sich eine Wohnung in London (15 Chelsea Court, Chelsea) und ein Haus in Kent (Seal, Sevenoaks): ab 1921 Chart Cottage und ab 1925 Stonepitts Manor; die Gärten beider Häuser wurden von der berühmte Gartenarchitektin Gertrud Jekyll gestaltet. Da Margaret Rhondda zunehmend über den Kopf von Helen Archdale inhaltliche Entscheidungen bei Time and Tide traf, kam es zu Spannungen; Helen Archdale warf ihr vor, finanzielle Fragen vor die feministische Arbeit zu stellen. Die Freundschaft endete, nachdem 1926 Margaret die Herausgeberschaft für Time and Tide von Helen Archdale übernommen hatte, trotzdem lebten sie noch bis 1931 zusammen.

In Winifred Holtby, die ab 1926 eine leitende Funktion einnahm, fand Margaret Rhondda eine von ihr überaus geschätzte Mitarbeiterin und Freundin. Durch die intensive Zusammenarbeit schaffte Time and Tide den finanziellen Durchbruch und wurde zum bedeutenden Organ der britischen Feministinnen sowohl in der politischen als auch in der künstlerischen Öffentlichkeit. Mit dem frühen Tod von Winifred Holtby im Jahr 1935 verlor die Zeitschrift eine ihrer wichtigsten Mitarbeiterinnen.

Dass Margaret Rhondda eine Frau mit Geschäftsinn war, ist keine Frage; so bezeichnete sie The New York Tribune als die herausragendste Geschäftsfrau des British Empire und für Daily Herald gehörte sie zu den fünf einflussreichsten Personen des Vereinigten Königreiches. Um ein Bild zu bekommen, wie groß das ererbte Imperium ihres Vaters war, anbei Firmen und Beteiligungen an Firmen, in denen sie in der Geschäftsleitung saß:

Anglo-Spanish Coaling Co. Ltd. / Britannic Merthyr Coal Co. Ltd. / British Fire Assurance Co. Ltd., Chairman / Cambrian Collieries Ltd. / Cambrian News ( Aberystwyth) Ltd. / Celtic Collieries Ltd. / Consolidated Cambrian Ltd. / Compania General de Carbones Barcelona, S.A.. / Cynon Colliery Co. Ltd. / D. Davis & Sons Ltd. / Genatosan Ltd., Chairman / Glamorgan Coal Co. Ltd. / Graigola Merthyr Co. Ltd. / Gwaun-cae-Gurwen Colliery Co. Ltd. / Globe Shipping Co. Ltd. / Imperial Navigation Coal Co. Ltd. / International Coal Co. Ltd. / Lysberg Ltd., Chairman / John Lysaght Ltd. / North's Navigation Collieries (1889) Ltd. / Naval Colliery Co. (1897) Ltd. / Plisson & Lysberg (Insurance) Ltd. / Pure Coal Briquettes Ltd. / Rhondda Engineering and Mining Company, Ltd. / South Wales Printing and Publishing Co. Ltd. / South Wales Journal of Commerce Ltd., Chairman / Sheppard & Sons Ltd. / Salutaris Water Co, Ltd. / Societe Maritime et Commerciale Franco-Anglaise / Thomas & Davey Ltd., Cardiff. / Time and Tide Publishing Co. Ltd. / Welsh Navigation Steam Coal Co. Ltd. / Western Mail Ltd. (Quelle: www.newportpast.com)

Neben diesen Verpflichtungen übte sie auch das Amt der Friedensrichterin in Gwent aus und wurde 1926 - als erste Frau - Präsidentin des Institute of Directors, eine Funktion, die sie über zehn Jahre lang ausübte, länger als jeder ihrer Vorgänger.

Um sich zu erholen - sie hatte körperliche Probleme und war enttäuscht wegen der Entfremdung zu Helen Archdale - buchte Margaret Rhondda eine Seereise; in ihrer Begleitung war auch Theodora Bosanquet; beide verband ihre Liebe zur Literatur, anregende Gespräche und Angst vorm Alleinsein. Sie beschlossen, zusammen zu ziehen und lebten ab 1933 bis zu Margarets Tod entweder in London (1b Bay Tree Lodge, Frognal, ab 1949 70 Arlington House, St. James) oder in Shere, Surrey (Churt Halewell); Theodora Bosanquet gehörte auch zu ihren Testamentsvollstreckern und erbte das Haus in Surrey.

Mit Virginia Woolf hatte sie einen regen Briefwechsel über den Ausschluss von Frauen aus Entscheidungsprozessen; Margaret bezweifelte angeborene unterschiedliche Eigenschaften von Frauen und Männern, da sie in ihrem öffentlichen Leben sowohl Eitelkeit als auch blinden Ehrgeiz bei beiden Geschlechtern erfahren hatte. Sie konnte sich eine moderne Welt nur mit der vollständigen Gleichsetzung von Frau und Mann vorstellen.

In den 40-er Jahren wurde die Diskussion um die Aufnahme von Frauen in das Oberhaus wieder aufgenommen. Margaret Rhondda und andere initiierten eine Petition mit über 50.000 Unterschriften: nachdem die Lords ihre Zustimmung signalisierten, verweigerte diesmal die Labour-Regierung die Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes. Erst 1958 wurde eine Gesetzesentwurf angenommen und vier Frauen wurden in das Oberhaus gewählt: Baroness Ravensdale, Baroness Swanborough, Baroness Elliot und Baroness Wootton.

Für Viscountess Margaret Rhondda war es zu spät, sie starb am 20. Juli 1958 in London. Da sie keine Kinder hatte, erlosch ihr Titel.

 

Nachdem Margaret als Jugendliche eine unvollendete Geschichte über ein schiffbrüchiges(!) Mädchen (Beryl) geschrieben hat, erkannte sie, dass ihre Fähigkeiten mehr im Argumentativen und Organisatorischen liegen. Mit 16 gründete sie ihre erste Zeitschrift, Spring Tide, später The Shooting Star, die allerdings sehr kurzlebig war.

Obwohl sie Zweifel hatte, gut schreiben zu können, verfasste sie in ihrer Zeit als militante Feministin Beiträge über das Frauenwahlrecht für die Zeitschrift Western Mail - der Herausgeber hatte ihrem Vater diese Möglichkeit eingeräumt - und für drei lokale Zeitungen. Für Votes for Women rezensierte sie u. a. H. G. Wells Buch "Marriage", für Time and Tide Elizabeth Robin’s Abhandlung "Ancilla’s Share: An Indictment of Sex Antagonism". Weitere Artikel für Time and Tide waren unter vielen anderen "At the Half-Way House" (21. Jänner 1921) und "University Women and Business" (19. / 26. September 1924). Einige ihrer Artikel in Time and Tide veröffentlichte sie unter dem Pseudonym Candida, so die Reihe "Women of the Leisured Classes" (27. September, 15. und 22. Oktober, 5., 12. und 19. November 1926), welche die Grundlage für ihr Buch "Leisured Women" bilden sollte.

In Andenken an ihren Vater schrieb und veröffentlichte sie 1921 seine Biografie und ließ darin politische Weggenossen wie Llewelyn Williams, William Beveridge oder J. R. Clynes zu Wort kommen.

"Leisured Women" erschien im März 1928 als Nr. 11 der Hogarth Press Reihe "The Hogarth Essays, Second Series" und hatte 61 Seiten. Von der 1000 Stück-Auflage wurden später 500 Stück eingestampft. Darin argumentiert sie, dass die Pseudo-Gleichheit des begrenzten Stimmrechtes von Frauen gefährlicher ist als Unterdrückung. Den Frauen wurde zwar Freiheit gegeben, aber nicht die Möglichkeit zur lernen, diese Freiheit klug anzuwenden. An positiven Beispielen nennt sie Maude Royden, Marie Curie oder Louisa Aldrich Blake, kritisiert aber die untätige Frau der oberen Mittelklasse, die es nicht schafft, selbstbestimmt und unabhängig mit ihrer Stimme Einfluss auf die Politik zu nehmen.

1933 veröffentlichte sie ihre Biografie "This Was My World", in der sie ihre Sicht der Welt darstellt und über Frauen schreibt, die ihr Leben beeinflusst haben; Ethel Smyth, Joan Procter, Margaret Bondfield, Ellen Wilkinson, Florence Nightingale - alles Frauen, die ihren Neigungen folgten und oft mit der kaum überwindbaren Ungleichheit konfrontiert wurden. Sie selbst hatte das Glück durch das Erbe ihres Vaters und die Verantwortung für seine Betriebe selbstständig entscheiden zu können und frei zu sein. Die Erinnerungen brechen vor ihrem Zerwürfnis mit Helen Archdale ab.

Autobiografisch waren auch ihr Essayband "Notes on the Way" (1937), den sie Theodora Bosanquet widmete. Die Essays, teilweise auch schon in Time and Tide veröffentlicht, beschreiben ihre Eindrücke auf Reisen nach Gibraltar, Marokko, Griechenland, Ägypten, Palästina und Israel, betrachten Menschen wie Leonardo da Vinci, George Bernard Shaw oder Winifred Holtby, oder beschäftigen sich mit dem Frauenmangel in der Regierung, mit Debütantinnen, mit der Rolle und dem Einfluss von Zeitschriften und Tageszeitungen, mit der BBC, mit Faschismus und Pazifismus u.a.m.


Literatur- und Quellenverzeichnis:

J. Howard Woolmer: A Checklist of the Hogarth Press. 1917–1946. Woolmer/Brotherson Ltd., Revere, Pennsylvania 1986

Catherine Clay: British Women Writers 1914–1945. Professional Work and Friendship. Ashgate Publishing Ltd., Aldershot 2006

Cheryl Law: Women. A Modern Political Dictionary. I. B. Tauris, London, New York 2000

Angela V. John: Turning the Tide. The Life of Lady Rhondda. Parthian Books, Cardigan 2013

PDF Angela V. John: The Many Lives of Mrs Mackworth. Caerleon and Newport, University of South Wales. 17 February 2014 / www.abirdinacage.org

Muriel Mellown: Lady Rhondda and the Changing Faces of British Feminism. In: A Journal of Women Studies, Vol. 9, No. 2, 1987, University of Nebraska Press / www.jstor.org/stable/3346181

Erik Larson: Der Untergang der Lusitania: Die größte Schiffstragödie des Ersten Weltkriegs. Hoffmann und Campe, 2015

PDF Shirley M. Eoff: The Life of Margaret Haig Thomas Mackworth, Second Viscountess Rhondda. A Dissertation in History.  Texas Tech University, August 1985 / ttu-ir.tdl.org/ttu-ir/bitstream/handle/2346/17531/31295003966404.pdf?...1

Margaret Haig, Viscountess Rhondda. The Orlando Project, Cambridge, 2006-2014: orlando.cambridge.org/public/svPeople?person_id=rhonma

archiveswales.llgc.org.uk/anw/quicksearch.php?term=D.A.+Thomas

yba.llgc.org.uk/en/s2-THOM-HAI-1883.html

www.newportpast.com/gallery/photos/php/photo_page.php?search=Margaret%20Haig%20Mackworth&search2=yyyyyy&pos=1

outhistory.org/exhibits/show/queer-lusitania/viscountess (Christianne Anastasia Gadd:  Margaret Haig Thomas, Lusitania's Queer Cargo)

cynonculture.co.uk/wordpress/viscountess-rhondda/

www.rmslusitania.info/people/saloon/margaret-mackworth/

en.wikipedia.org/wiki/D._A._Thomas

de.wikipedia.org/wiki/St_Leonards_School

Angela V. John: Lady Rhondda: www.youtube.com/watch?v=WVKPmbc2hiI

de.wikipedia.org/wiki/Women%E2%80%99s_Social_and_Political_Union

de.wikipedia.org/wiki/Time_and_Tide

www.llanwernvillage.org.uk/index.asp?pageid=423748

www.kentgardenstrust.org.uk/research-projects/Sevenoaks/Chart%20Cottage.pdf

Llanwern House, Familiensitz in Wales

David Alfred Thomas, Viscount Rhondda,

und Sybil Margaret Thomas


oben: Lusitania 1907, Gemälde von Norman Wilkinson

unten: Speisesaal der 1. Klasse

Die Lusitania gehörte zu den größten und luxuriösten Schiffen weltweit; sie überquerte ab 1907 den Atlantik zwischen Liverpool und New York und galt als das sicherste Schiff - schneller als jedes U-Boot. Bis zu ihrem Untergang fuhr sie die Route 201 mal, die kürzeste Zeit für eine Fahrt betrug viereinhalb Tage. Bei ihrem Untergang waren etwa 2000 Menschen an Bord, davon 1265 Passagiere: der Großteil der Reisenden kam aus dem Vereinigten Königreich (949), gefolgt von USA (189) und Russland (71);   weitere Passagiere kamen aus vielen Ländern Europas, aus Südamerika und Indien. (Zahlen aus: Erik Larson: Der Untergang der Lusitania.)


Lady Rhondda um 1920 und im November 1932

 Lady Rhondda und Emmeline Pankhurst im Juli 1926 bei der Equal Political Rights Demonstration in London


"Time and Tide. The Modern Weekly for the Modern Women" wurde 1920 von Lady Rhondda gegründet und bis zu ihrem Tod 1959 finanziell unterstützt: man spricht von etwa 500.000 Pfund, die sie aus ihrem privaten Vermögen für die Zeitschrift verwendet hat. Time and Tide war links-liberal, feministisch, förderte junge SchriftstellerInnen und war Sprachrohr der Six Point Group. Von 1920 bis 1926 war Helene Archdale (unten links) Herausgeberin, ab 1926 übernahm Lady Rhondda (unten rechts) bis zu ihrem Tod die Herausgeberschaft; Winifred Holtby (unten Mitte) war von 1926 bis 1935 Direktorin.


Vanessa Bell, Schwester von Virginia Woolf, gestaltete die Umschläge der "Hogarth Essays"; zwischen 1924 und 1928 erschienen 35 Bändchen u. a. von Autorinnen wie Theodora Bosanquet, Vernon Lee, Rosa Macaulay, Willa Muir, Lady Rhondda, Elizabeth Robins, Edith Sitwell, Gertrude Stein und Virginia Woolf.



2018 produzierte die Welsh National Opera in Erinnerung an Margaret Rhondda das Musikstück "Rhondda Rips It Up" (Komponistin: Elena Langer, Librettistin: Emma Jenkins, Dirigentin: Nicola Rose). Das Stück, in dem alle Rollen von Frauen besetzt sind, wurde an verschiedenen Orten gespielt, darunter auch in Zusammenarbeit mit dem Somerville College in Oxford, wo Margaret Rhondda kurzfristig Studentin war.


Margaret Rhondda - Veröffentlichungen (Auswahl):
(by his Daughter and Others) D. A. Thomas. Viscount Rhondda. With Illustrations. Longmans, Green and Co., London / New York 1921 / archive.org/details/dathomasviscount00mack
Leisured Women. Hogarth Essays, Second Series XI. Hogarth Press, London 1928
This Was My World. Macmillan, London 1933
Notes on the Way. Macmillan, London 1937 / Essay Index Reprint Series, Freeport, New York 1968
The Four Empires. Time and Tide Publishing, Pamphlet No. 1, London 1943
Men not Mases. Time and Tide Publishing, Pamphlet No. 2, London 1944
Introduction. In: Anthony Lejeune (Ed.): Time and Tide Anthology: A Selection from the first thirty-five years of Time and Tide. A. Deutsch, London 1956

 

Veröffentlichungen über Margaret Rhondda und Time and Tide:

Shirley M. Eoff: Viscountess Rhondda: Equalitarian Feminist. Ohio State University, 1991

Angela V. John: Turning the Tide. The Life of Lady Rhondda. Parthian, Cardigan 2013

Catherine Clay: Time and Tide. The Feminist and Cultural Politics of a Modern Magazine. Edinburgh University Press, 2018

 

Bildnachweis:

Llanwern House / David Alfred Thomas, Viscount Rhondda,

und Sybil Margaret Thomas: In: D. A. Thomas. Viscount Rhondda. By his Daughter and Others. With Illustrations. Longmans, Green and Co., London / New York 1921 / archive.org/details/dathomasviscount00mack

Lusitania 1907: Gemälde von Norman Wilkinson (1878–1971), commons.wikimedia.org/wiki/File:Lusitania_by_Norman_Wilkinson,_1907.jpg

Speisesaal der 1. Klasse: commons.wikimedia.org/wiki/File:Drawing_of_the_First_class_dining_saloon_of_the_RMS_Lusitania_(style_Louis_XVI).jpg#filelinks

Lady Rhondda um 1920: commons.wikimedia.org/wiki/File:MARGARET_MACKWORTH,_VISCOUNTESS_RHONDDA.jpg. The original is held by A. V. Morgan

Lady Rhondda, November 1932: Frontispiz (Foto: E. O. Hoppe) in: This Was My World. London 1933

Lady Rhondda und Emmeline Pankhurst: www.timeandtidemagazine.org/history

Helen Alexander Archdale (née Russell): by Lafayette
half-plate film negative, 3 February 1928
NPG x42311, © National Portrait Gallery, London

Winifred Holtby: Buchumschlag "Winifred Holtby. A Woman In Her Time. Critical Essays. Edited by Lisa Regan. Cambridge Scholars Publishing 2010

Lady Rhondda liest "Time and Tide": outhistory.org/exhibits/show/queer-lusitania/viscountess (Christianne Anastasia Gadd:  Margaret Haig Thomas, Lusitania's Queer Cargo)

Plakat "Rhondda Rips It Up": www.some.ox.ac.uk/event/rhondda-rips-it-up/


Helga Kaschl: Frauen in Virginia Woolfs Hogarth Press. Verlag Autonomie und Chaos, Berlin 2022

Im Berliner Verlag Autonomie und Chaos erschien 2022 eine Online-Ausgabe von "Frauen in Virginia Woolfs Hogarth Press" mit zusätzlichen illustrierenden Hintergrundtexten:

 

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Das Buch kann kostenlos gespeichert und bei Bedarf ausgedruckt werden (448 Seiten, Format A4).