HEBE SPAULL

4. März 1893 – 17. März 1974

 

Journalistin, Jugendbuchautorin, Reiseschriftstellerin, Pazifistin

 

 

Hebe Fanny Lily Spaull war die Tochter von Fanny Emily, geb. Steadman, die 1895 kurz nach der Geburt von Hebes jüngerem Bruder Barnard Robert Horatio Spaull starb. Ihr Vater Barnard Alfred Spaull (1859–1942) wurde in Tottenham, Nordlondon geboren; er hatte wechselnde Berufe, war Erfinder, Patentinhaber, Auktionsmitarbeiter und schließlich selbstständiger Vertreter. Die Kinder wuchsen unter der Obhut ihrer drei unverheirateten Tanten auf, die im Londoner Haushalt ihres Vaters lebten (Hampstead, 43 King Henry Road und 82 Belsize Park):

Ruth Elizabeth Spaull (1849–1933) war Gesellschafterin, Marian Ellen Spaull (1855–1936) war ebenfalls Gesellschafterin, betätigte sich auch als Hauslehrerin und war Expertin für Antiquitäten sowie Autorin von Beiträgen im Fachmagazin The Connoisseur. An Illustrated Magazine for Collectors, Jessie Clara Spaull (1865–1950) war Musiklehrerin. Marian Ellen Spaull vermachte den Großteil ihres Besitzes, darunter Möbel, Bilder und ein Klavier ihrer Nichte, ihre Londoner Wohnung 17 Stanwick Road ging an ihre Schwester Jessie Clara und Hebes Vater, nach deren Tod an Hebe und ihren Bruder.

Obwohl Hebe nur eine Schule für höhere Töchter besucht hatte, gelang es ihr, eine erfolgreiche Karriere als freischaffende Journalistin und Autorin zu machen, die es ihr auch ermöglichte, die Ausbildung ihres Bruders - er studierte neuere Geschichte am Mansfield College in Oxford und wurde später Geistlicher - zu unterstützen und ihrem Vater finanziell unter die Arme zu greifen.

Während des Ersten Weltkrieges arbeitete sie im Ernährungsministerium. Nachdem ihr Verlobter aus den Kämpfen in Frankreich zurückgekehrt war, löste er die Verlobung und Hebe ging - schwer enttäuscht - für ein Jahr nach Indien.

Nach ihrer Rückkehr engagierte sie sich im Rahmen der League of Nations; sie bereiste neben den Staaten Europas nahezu die ganze Welt - so z. B. 1938 West Afrika - und beobachtete mit großem Interesse die Entwicklung von Genossenschaftsbewegungen in den verschiedenen Ländern.

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges arbeitete sie ehrenamtlich für die Journalistengewerkschaft und half tschechischen Journalisten bei der Flucht aus ihrem Land und beim Aufbau einer neuen Existenz in England. Während des Krieges arbeitete sie auch zeitweise beim BBC Abhörsender für internationale Nachrichten in Evesham.

Hebe sympathisierte mit kommunistischen Ideen, war aber - nach Aussagen ihres Neffen David Spaull - nie Mitglied der Partei, da sie mehrere negative Erfahrungen in kommunistischen Ländern hatte: so stand sie während eines Besuches von Leningrad unter Beobachtung des sowjetischen Geheimdienstes, der sie daran hindern wollte, das Stadtzentrum zu besichtigen; auf einer Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn - ihr Ziel war Japan - machte Intourist Schwierigkeiten wegen einer angeblich nicht vorhandenen Buchung; darüber hinaus musste sie auch erleben, dass eine aus Ungarn stammende Freundin, Dr. Edith Bone, Korrespondentin des Londoner Daily Worker, 1949 in Ungarn vor ihrem Rückflug nach England wegen Spionageverdacht verhaftet wurde und bis zur Ungarischen Revolution 1956 in Einzelhaft blieb.

Hebe Spaulls Wohnorte in London: 6 West Road, Tottenham / 43 King Henry Road, Hampstead / 82 Belsize Gardens, Hampstead (Familienwohnungen), danach bis zu ihrem Tod: 9 Elm Grove, Cricklewood.

Sie starb mit 81 Jahren im New End Hospital, Hampstead.

 

Hebe Spaull versuchte in ihren zahlreichen Veröffentlichungen mit einer klaren und lebendigen Ausdrucksweise die ihr wichtigen Inhalte einem größeren Publikum - und da vor allem der Jugend - nahe zu bringen. Sie stand für eine friedliche Welt, in der jeder Mensch sowohl ein guter Staatsbürger als auch ein guter Weltbürger sein sollte und glaubte, dass diesem Ideal mit Hilfe der League of Nations näher gekommen werden kann.

Ihr Engagement für Frieden und Zusammenarbeit verdeutlicht sich in ihrem Buch "Women Peace Makers" (1924), in dem sie die Arbeit von prominenten Vertreterinnen der League of Nations wie Dame Rachel Crowdy, Marie Curie, Henni Forchhammer, Karen Jeppe, Betzy Kjelsberg, Edith Lyttelton und Coombe Tennant beleuchtete.

In der illustrierten Serie "Peeps at Many Lands", mit der vor allem ein junges Publikum fremde Länder, Städte, Bräuche und Sitten, die Arbeitsverhältnisse der Menschen, die Stellung von Minoritäten etc. kennen lernen sollte, verfasste sie die Bände "Rumania" (1930) und "The Baltic States" (1931). Darüber hinaus veröffentlichte sie, die ihr Leben lang die Welt bereiste, Texte über die Tschechoslowakei, über Frankreich, die Sowjetunion, über Afrika und Südamerika.

In Zusammenarbeit mit Simon Sherman, Mitarbeiter der Bildungsabteilung der League of Nations, erschien 1929 "The United World", ein erster Versuch, eine globale Geschichte für den Schulunterricht darzustellen; anhand der Themen Sprache, Kunst, Industrie, Verkehr, Handel, Gesundheit, Regierungsformen etc. werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie durch gemeinsames Handeln die Entwicklung der Menschheit gefördert und durch weltweite Zusammenarbeit und nicht im Wettkampf eine positive Zukunft gestaltet werden kann. Das Vorwort schrieb der liberale Historiker George Peabody Gooch.

1931 gab sie mit "Pioneering for Peace" eine frühe Geschichte der League of Nations heraus, in der Hintergründe und die Arbeit der League und der Internationalen Arbeitsorganisation mit anschaulichen Beispielen dargestellt werden: so verdeutlicht sie z. B. durch die Geschichte einer Mutter, die ihr entführtes Kind rettete, die Kindersklaverei in China und die Bemühungen, diese Grausamkeiten zu beenden. The Woman Teacher empfiehlt das Buch vor allem Lehrenden, um ihren SchülerInnen die Wichtigkeit von internationalen Übereinkommen und Frieden zu verdeutlichen.

Im Februar 1933 erschien in der Hogarth Press "How the World is Governed. A Study in World Civics"; der einfach gestaltete, 72 Seiten starke Band mit mittelbraunem Leinenumschlag hatte eine Auflage von 2500 Stück, von denen später 1000 Stück eingestampft wurden. Die Kritik lobte die Abhandlung wegen ihrer klaren und verständlichen Sprache und empfahl sie StudentInnen im Bereich zeitgenössischer Studien. Hebe Spaull behandelt darin die Entstehung des modernen Staates und des Umgangs zwischen den Nationen, die Bedeutung von Abkommen wie Protektorate, Einflussbereiche und Mandate; sie erklärt die Arbeit von Diplomaten wie z. B. das Zustandekommen von Vertragsabschlüssen und Übereinkommen, und belegt, wie durch die Tätigkeit und Vermittlung der League of Nations tausenden Menschen durch Krankheitsbekämpfung geholfen wurde, Sklaven ihre Freiheit erlangten und der Drogenhandel wesentlich erschwert werden konnte. (The Winnipeg Tribune for Winnipeg, April 5, 1933)

"Youth of Russia" (1933) war zwar für Jugendliche konzipiert, durch den informativen Text aber auch für ein größeres Publikum interessant. Er enthält grundlegende Kapitel über Geographie, Geschichte und Regierungsform Russlands. Spaull hebt hier die wichtige Rolle der Jugend in allen Arbeitsbereichen und in der Verwaltung hervor und sieht einen auffallenden und grundlegenden Unterschied zu Westeuropa; ein Hauptthema ist die Erziehung von jungen Menschen. Fast zwangsläufig werden die eher kontroversen Gesichtspunkte der sowjetischen Theorie und Praxis in einem positiven Licht gesehen, besonders im Kapitel "Young Russia and Religion".

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges veröffentlichte sie gemeinsam mit D. H. Kay "The Co-operative Movement at Home and Abroad"; ausgehend von den Veränderungen durch das Maschinenzeitalter in England und den Anfängen von Genossenschaftsbewegungen (z. B. "Rochdale Pioneers") gibt das Buch einen Überblick von genossenschaftlicher Zusammenarbeit in nahezu allen Teilen der Welt und versucht auch einen Blick in die Zukunft zu werfen.

Die 1954 im Rahmen der für Jugendliche gestalteten Serie "Changing Face of the World" erschienenen Bildbändchen - Nordamerika / Mexiko, Zentralamerika und Karibik / Südamerika / Nordafrika / Südafrika / Australasien und Antarktis / Asien / Europa - wurden 1955 zusammengefasst in dem Band "The Changing Face of the World: How Modern Man is Changing the Physical World" und gibt einen Überblick über die globale Entwicklung unserer Welt.

Und auch der 1964 erschienene Band "The World's Changed Face since 1945" zeigt anhand von zahlreichen Bildern und Texten die rasanten Entwicklungen in Technik, Industrie, Kultur und Gesellschaft, welche nach dem Zweiten Weltkrieg weltweit stattfanden. Beginnend mit einer alten Landkarte werden Europa incl. Großbritannien, Nordamerika incl. Mexiko, Süd- und Zentralamerika incl. Karibik, Australasien und Antarktis, Asien, Nordafrika und der Mittlere Osten, Südafrika dargestellt und mit Fotografien von Staudämmen (Errochty Damm in Schottland, Mondragon Damm in Frankreich, Falcon Damm in Mexiko, Bin-el-Ouidane Damm in Marokko, Kariba Damm in Simbabwe), dem Karakumkanal in Turkmenistan, Pumpstationen in Nigeria und Pakistan, Ölhafen in Kuweit, Landschaftsaufnahmen von Wüsten und Gebirgen, Städten und neuen Bauformen illustriert.

Die zahlreiche Änderung von Namen nach 1945 stellt Hebe Spaull in ihrem 1970 erschienenen Band: "New Place Names of the World" dar, in dem sie neue Namen für Städte, Gebiete, Grenzen und künstlich geschaffene Landschaften wie Seen auflistet; ihr Ansprechkreis für dieses Buch waren vor allem Lehrende im Bereich Geographie und Geschichte, aber auch Wirtschaftstreibende.


Literatur- und Quellenverzeichnis:

J. Howard Woolmer: A Checklist of the Hogarth Press. 1917–1946. Woolmer/Brotherson Ltd., Revere, Pennsylvania 1986

Sharon Ouditt: Women Writers of the First World War. An Annotated Bibliography. Routledge 2002

The Spectator, 5 May 1933, S. 30

The Winnipeg Tribune for Winnipeg, April 5, 1933, Page 11

www.roots-saknes.lv/Country/Hebe_Spaull.htm

www.myheritage.at/names/barnard_spaull

www.spall.ca/robert3385.htm

www.ourfamtree.org/browse.php/Barnard-Alfred-Spaull/p342819

www.ourfamtree.org/browse.php/Hebe-Fanny-Lily-Spaull/p342793

www.ourfamtree.org/browse.php/Barnard-Robert-Horatio-Spaull/p342784

www.ourfamtree.org/browse.php/Marian-Ellen-Spaull/p342821/recent#

www.ourfamtree.org/browse.php/Ruth-Elizabeth-Spaull/p342820

www.ourfamtree.org/browse.php/Frank-Hilling-Spaull/p342822

www.wtna-findingaid.amdigital.co.uk/results.aspx?SearchString=&topicID=27

en.wikipedia.org/wiki/Edith_Bone

openlibrary.org/authors/OL5040234A/Hebe_Spaull

www.abebooks.co.uk/servlet/SearchResults?an=Hebe+Spaull&sts=t

archive.org/stream/britishnationalb030230mbp#page/n123/mode/2up/search/Spaull

www.modernistarchives.com/work/how-the-world-is-governed-a-study-in-world-civics

search.library.utoronto.ca/search?N=0&Nr=p_author_personal_name:Spaull%5C,%20Hebe%5C,%201893-

 

Bildnachweis:

Hebe Spaull: www.roots-saknes.lv/Country/Hebe_Spaull.htm

 

Hebe Spaull in den 1960-er Jahren

Hebe Spaull hinterließ eine große Anzahl von Publikationen und war im Rahmen der League of Nations aktiv; über ihr privates Leben und ihre zahlreichen weltweiten Reisen ist leider nur wenig bekannt.

 

 

Hebe Spaull in den 1960-er Jahren (Foto aus dem Besitz von Hebe Spaulls Großneffen Richard Miller)



Hebe Spaull - Veröffentlichungen (Auswahl):

Caliphs and Carpets-Persia. Nationalsunday School Union, 1920

Fighting Death and Other Plays. League of Nations Union Publications, 1923

The Fight for Peace. Stories of the Work of the League of Nations. George Bell & Sons, London 1923

Women Peace-makers. G. C. Harrap, London 1924

Champions of Peace. George Allen & Unwin, London 1926

Peeps at the League of Nations. A. & C. Black, London 1927

With Stanley Simon Sherman: The United World. J. M. Dent & Sons, London 1929

Rumania. Peeps at Many Lands. A. & C. Black, London 1930

Pioneering for Peace. The Sheldon Press, The MacMillan Co., London, New York and Toronto 1931

The Baltic States. Peeps at Many Lands. A. & C. Black, London 1931

How the World is Governed. A Study in World Civics. Hogarth Press, London 1933

The Adventures of Anai and Jok. A Tale of Two Little Slaves. Evans Brothers Limited, London 1933

The Youth of Russia Today. Ivor Nicholson and Watson, London 1933

The World Since You Were Born. The MacMillan Co., London 1935

World Problems of To-day. Student Christian Movement Press, London 1936

Czechoslovakia. Student Christian Movement Press, London 1937

France. Student Christian Movement Press, London 1937

The Union of Soviet Socialist Republics. Student Christian Movement Press, London 1938

People, Parliament and King. United Society for Christian Literature, London, Redhill 1945

The United Nations and Their Problems. Lutterworth Press, London 1946

With D. H. Kay: The Co-operative Movement at Home and Abroad. The MacMillan Co., London 1947

ABC of Civics. A Dictionary of Terms Used in Connection with Parliament, Local Authorities, Courts of Law, Diplomacy and the United Nations. C. & J. Temple Ltd, London 1949

North America. Changing Face of the World Series, 1. Barrie & Rockliff, London 1954

Mexico, Central America and the Caribbean. Changing Face of the World Series, 2. Barrie & Rockliff, London 1954

South America. Changing Face of the World Series, 3. Barrie & Rockliff, London 1954

Northern Africa (North of the Tropic of Cancer). Changing Face of the World Series, 4. Barrie & Rockliff, London 1954

Southern Africa (South of the Tropic of Cancer). Changing Face of the World Series, 5. Barrie & Rockliff, London 1954

This is the Saar. Rockliff Picture Books Series. Barrie & Rockliff, London 1954

The Changing Face of the World. How Modern Man is Changing the Physical World. A Rockliff Picture Book, Barrie & Rockliff, London 1955

The World Since 1945. What was Happened since the War. Barrie & Rockliff, London 1960

Peoples of the World. The Golden Picture Book. Ward, Lock & Co., 1961

Genossenschaftliche Ausbildung in Ostafrika. In: Internationale Genossenschaftliche Rundschau, 9/1961, London

The World Unites Against Want. Barrie & Rockliff, London 1961

Africa: Continent on the Move. Barrie & Rockliff, London 1962

The New ABC of Civics. Barrie & Rockliff, London 1963

The World's Changed Face Since 1945. Barrie & Rockliff, London 1964

The Co-operative Movement in the World Today. With an Introduction by W. P. Watkins. Barrie & Rockliff, London 1965

The Agencies of the U.N. A Survey of Economic and Social Achievements. Ampersand, London 1967

New Place Names of the World. Ward Lock, London 1970

Organizations of the World. Angus and Robertson, London 1972


Helga Kaschl: Frauen in Virginia Woolfs Hogarth Press. Verlag Autonomie und Chaos, Berlin 2022

Im Berliner Verlag Autonomie und Chaos erschien 2022 eine Online-Ausgabe von "Frauen in Virginia Woolfs Hogarth Press" mit zusätzlichen illustrierenden Hintergrundtexten:

 

autonomie-und-chaos.de/die-buecher/helga-kaschl-frauen-in-virginia-woolfs-hogarth-press

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Das Buch kann kostenlos gespeichert und bei Bedarf ausgedruckt werden (448 Seiten, Format A4).