LIBBY BENEDICT

17. Juni 1903 – 15. Jänner 1990

 

Journalistin, Schriftstellerin, Übersetzerin

 

 

Libby Benedict (geb. Goldberg) wurde in Kansas City / Missouri geboren und studierte an der New York University. Als freie Journalistin und Schriftstellerin war sie viel unterwegs und veröffentlichte neben ihrem Roman "The Refugees" zahlreiche Artikel, Rezensionen und Gedichte u. a. in Congress Weekly, Harper’s Magazin, The Living Age, The London Mercury, Time and Tide, New York Times und im 1915 gegründeten Menorah Journal, das zu den wichtigsten intellektuellen Zeitschriften der jüdischen Gemeinde in den USA gehörte. Sie hielt  zahlreiche Vorträge über ihre Reiseerfahrungen, wie z. B. 1934 nach ihrer Rückkehr aus Palästina und Europa im Concourse Zionist District at Tempel Adath Israel in New York oder vor der Menorah Graduate Society. Sie war Mitarbeiterin des Research Institute on Peace and Post-War-Problems des American Jewish Committee und des  American Jewish Yearbook. 
Genaues zu Herkunft und Leben der Autorin konnte nicht gefunden werden. Nach Diane F. Gillespies Recherchen (siehe: Modernist Archives Publishing Project / www.modernistarchives.com/work/the-refugees) war sie die Tochter von Meyer Goldberg, Direktor von United Palestine Appeal, der 1944 in New York verstarb und russischer Herkunft war.

Ihr Roman "The Refugees" wird zwar in dem Band "Exilliteratur in Großbritannien" erwähnt, sie wird aber als Autorin unbekannter Herkunft bezeichnet, deren Namen sowohl englischen, anglisierten deutschen oder österreichischen Ursprung haben könnte. Im Copyright Katalog 1938 der Library of Congress, New York, wird Libby Benedict mit Wohnort New York angeführt (751 Walton Avenue, Bronx); und in Frances H. Spencers "An American Family Album" von 1946 wird auf Libby Benedicts  Roman "The Refugees" und auf ihre Kurzgeschichten im New Yorker Harper’s Magazin hingewiesen, die sie bereits ab 1927 veröffentlicht hat.
John Lehmann, Lektor in der Hogarth Press, befürwortete Libby Benedicts Roman "The Refugees", der im März 1938 erschien: der Roman spielt in den ersten beiden Jahre nach Hitlers Machtantritt und beschreibt das Leben der politischen Flüchtlinge aus Deutschland sowie die Tätigkeit von kommunistischen Parteifunktionären in Paris und London; das Buch, in vier Kapitel unterteilt (Encirclement / Dispersion / Search / Hope and Reality), hat einen aufrüttelnden Umschlag (gelbbraun, schwarz/rot bedruckt) und wurde von der Wochenpresse gemeinsam mit anderen Büchern des Verlages (Christopher Isherwood: Lions and Shadows /  Edward Upward: Journey on the Border) an die obersten Plätze gereiht. Der Literaturkritiker und Schriftsteller V. S. Pritchett bezeichnete es im New Statesman als das bewegendste und interessanteste politische Buch, das er seit langem gelesen habe. Virginia Woolf meinte dazu - abschätzig - "sogar Libby Benedict" wurde empfohlen; nach einem ersten Treffen im Mai 1938 beschrieb sie die Autorin als "dünn & jüdisch" aussehend und meinte in einem Brief an Vita Sackville-West lakonisch, dass sie sich nun "Libby Benedicts Fabel von Libby Benedict" widmen müsse, anstatt die wunderbare Bienenfabel Mandevilles von 1714 lesen zu können.
Aus der Bibliothek von Vanessa Bell und Duncan Grant ist ein Blindband von "The Refugees" erhalten geblieben, der in zweifacher Hinsicht interessant ist: zum einen sind Blindbände des Verlages sehr selten, zum anderen ist ein Großteil seiner Seiten mit handgeschriebenen Notizen gefüllt. Da es 1938 und später schwierig war, Schreibpapier zu erhalten, benutzten die Bewohner von Charleston Farmhouse die Seiten des Blindbandes für die verschiedensten Zwecke: zahlreiche Seiten wurden für Russisch-Übungen verwendet - wahrscheinlich von Quentin Bell, der um 1949 mit Lydia Lopovka, der Frau von Maynard Keynes, russisch lernte; andere Teile enthalten ausführliche Notizen zur Militärgeschichte der Jahre 1712–1718, mit Bleistift gezeichnete Pläne und Wappen, und die ausgezeichnete Darstellung einer Frau, die an Angelica Garnett, die Halbschwester Quentin Bells und Tochter von Vanessa Bell und Duncan Grant, erinnert. Vielleicht am interessantesten ist die Buchvorderseite: die unfertige Skizze einer Figur mit ausgebreiteten Armen und geneigten Kopf, welche stark an die Frauenfiguren von Vanessa Bell erinnert: mit einem Netz im Hintergrund scheint dieses vertraute Motiv zu einem Torwart mit winkenden Armen verändert worden zu sein.


Literatur- und Quellenverzeichnis:

J. Howard Woolmer: A Checklist of the Hogarth Press. 1917–1946. Woolmer / Brotherson Ltd., Revere, Pennsylvania 1986

Virginia Woolf: Briefe 2. 1928–1941. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2006

Virginia Woolf: Tagebücher 5. 1936–1941. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008

Omega Lives. The Omega Workshops & the Hogarth Press. Chapin Library. Williams College. October-December 2007

Elizabeth Wilson Gordon: Woolf’s-head Publishing. The Highlights of the Hogarth Press. University of Alberta Libraries 2009

Dirk Wiemann: Exilliteratur in Großbritannien 1933–1945. Westdeutscher Verlag, Opladen 1998

Leo W. Schwarz (Ed.): The Menorah Treasury: Harvest a Half a Century. Jewish Publication Society of America, 1964

Jewish Telegraphic Agency 21 Feb 1934: "Libby Benedict Talks to Zionists"

Wulf Koepke / Jörg Thunecke: Preserving the Memory of Exile: Festschrift for John M. Spalek on the Occasion of his 80th Birthday. Edition Refugium 2008

www.modernistarchives.com/work/the-refugees

www.jta.org/1934/02/21/archive/libby-benedict-talks-to-zionists

archive.org/stream/jacobpicard_01_reel17#page/n765/mode/1up/search/Libby+Benedict


Helga Kaschl: Frauen in Virginia Woolfs Hogarth Press. Verlag Autonomie und Chaos, Berlin 2022

Im Berliner Verlag Autonomie und Chaos erschien im Juli 2022 eine Online-Ausgabe von "Frauen in Virginia Woolfs Hogarth Press" mit zusätzlichen illustrierenden Hintergrundtexten:

 

autonomie-und-chaos.de/die-buecher/helga-kaschl-frauen-in-virginia-woolfs-hogarth-press


oder

d-nb.info/1262912083/34

 

Das Buch kann kostenlos gespeichert und bei Bedarf ausgedruckt werden (448 Seiten, Format A4).


"The Refugees" erschien im März 1938 in einer Auflage von 1.222 Stück. Der 344 Seiten umfassende Roman drückt mit seinem auffallenden, mit Swastika bedruckten Umschlag eine  neue Politisierung des Verlages aus und wurde in der Beurteilung durch die Wochenpresse an obere Stelle gerückt.

"The Menorah Journal", 1915 in New York gegründet, war die führende intellektuelle Zeitschrift der jüdischen Gemeinde in den USA; am Briefkopf  der Zeitschrift sind unter den für Menorah Schreibenden auch Libby Benedict und Hannah Arendt genannt.


 Libby Benedict - Veröffentlichungen (Auswahl):
"Engaged". In: Harper’s Magazin, 2/1927
"The Appartment". In: Harper’s Magazin, 11/1927
"Fledgling". In: Harper’s Magazin, 4/1930
One Night in Yellowstone. A Comedy in 3 Acts. New York 1932
"Women of Germany Balk at New Role". In: New York Times, 11/12/1933
"Polonaise". In: The Menorah Journal. Volume XXII, October-December, October 1934

The Refugees. Hogarth Press, London 1938
"Blind Man’s Bluff". In: Edward J. O’Brien (Ed.): The Best Short Stories of 1938. The Yearbook of the American Short Story

"A Missouri Girl in New York". In: The Menorah Journal. Volume XXVII, October-December, New York 1939

"After Germany is Liberated". In: Congress Weekly, November 14, 1941
"The Disillusionment That Calls Itself Objectivity". In: New York Times, May 20, 1945 (eine kritischen Rezension von Gertrude Steins „Was I have seen“)
"The Right to Have Soundrels". In: The Saturday Review of Literature, Octpber 6, 1945
"Fledgling". In: Frances H. Spencer (Ed.): An American Family Album. Stories of American Family Life. Harper & Brothers, 1946
"A Mother for Maxim". In: Collier’s Weekly, February 8, 1947
"O, Puppeteers! A Poem". In:  The Menorah Journal. Volume XXXV, Spring, April-June, New York 1947
"Home is the Stranger: A Play in One Act". In: The Menorah Journal. Volume XXXVI, No. 1, Winter 1948
"Reactions to Events Overseas". In: American Jewish Yearbook. Review of the Year 5703 (1942/1943), S. 191
"The New Babel". In: Leo W. Schwarz (Ed.): The Menorah Treasury: Harvest a Half a Century. Jewish Publication Society of America, 1964, S. 738

Libby Benedict - Übersetzungen (Auswahl):
Menahem Boraisha: There was a Third. A Comedy in 3 Acts. New York 1932
Martin Buber: "My Road to Hasidism". In: Leo W. Schwarz (Ed.): Memoirs of My People. New York 1943