FRANCES CORNFORD

30. März 1886 – 19. August 1960

 

Dichterin, Übersetzerin

 

 

Frances Cornford, geb. Darwin, war Dichterin und Übersetzerin. Sie war die einzige Tochter von Ellen und Francis Darwin. Ihre Mutter Ellen Darwin, geb. Wordsworth Crofts, Lehrerin für Geschichte und englische Literatur am Newnham College, Großnichte des Dichters Wordsworth, enge Freundin der Altphilologin Jane Harrison, war unkonventionell in Aussehen und Auftreten, literarisch hoch gebildet, aber etwas unnahbar und ein unglücklicher Mensch; ihr Vater, der Botaniker Francis Darwin und Sohn von Charles Darwin, war sowohl Wissenschaftler als auch Künstler, spielte mehrere Instrumente, schrieb Essays, war ein melancholischer Mensch, der den Tod seiner ersten Frau Amy Ruck nach der Geburt seines Sohnes Bernard nie verkraftete. Neben dem um zehn Jahre älteren Stiefbruder Bernard bekam Frances 1913 noch zwei Stiefschwestern - Fredegond Shove und Ermengard Maitland -, da ihr Vater in dritter Ehe Florence Fisher Maitland heiratete.

Frances wuchs in Wychfield House in Cambridge auf, in einer privilegierten, akademischen Gesellschaft, wurde privat unterrichtet und war - wie sie selbst sagte - sehr kultiviert, aber vollkommen ungebildet. Ein Porträt dieser spätviktorianischen, einflussreichen Darwin-Familie zeichnete ihre Cousine Gwen Raverat, geb. Darwin, in ihrem Buch "Period piece - A Cambridge Childhood", dessen letzte Neuauflage 2018 erschien. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter (1903) neigte Frances zu Melancholie und Depressionen - ein Erbe ihrer Eltern, und hatte die erste ihrer drei lange andauernden Depressionen: diese Phase dauerte mehr als drei Jahre; um zu genesen unternahm sie Reisen in die Schweiz und nach Frankreich.

Danach begann sie mit einem Griechisch-Studium, besuchte gesellschaftliche Zusammentreffen in London wie Vanessa Bells Friday Club, und gehörte einem Freundeskreis an - von Virginia Woolf "Neo-Pagans", die neuen Heiden, genannt -, in dessen Mittelpunkt Rupert Brooke stand und dem u. a. Ka Cox, Jacques Raverat und die Olivier-Schwestern (Noel, Daphne, Margery und Brynhild) angehörten; die Gruppe könnte man als eine Art zweite Bloomsbury-Generation bezeichnen, sie war jedoch politischer, aktiver, betrieb gemeinsamen Sport und waren Poesie-begeistert.

1908 entwarf Frances gemeinsam mit ihrer Cousine Gwen die Kostüme für die Inszenierung von Miltons "Comus" in Christ’s Fellows’ Garden, Regie führte ihr Freund Rupert Brooke, die Hauptrolle spielte Francis Macdonald Cornford, Mitglied des Trinity College und späterer Professor für antike Philosophie. Cornford, für den Toleranz alles bedeutete, war wegen seiner wissenschaftlichen Fähigkeiten bekannt, aber vor allem auch wegen seiner unorthodoxen Ansichten; er war Mitglied der Fabian Society und Gründungsmitglied der Marlowe Dramatic Society, die 1908 als Reaktion auf das viktorianische Theater ins Leben gerufen wurde und in deren Rahmen "Comus" aufgeführt wurde. Nicht nur "Comus" sondern auch Frances' "Tante" Jane Harrison, deren enger Mitarbeiter und Freund Cornford war, brachte die beiden zusammen, wobei Jane Harrison nicht ahnen konnte, dass daraus eine große Liebe entstehen könnte und damit das Ende ihrer privaten Beziehung zu Cornford. Frances und Francis heirateten im Juni 1909; das Paar bekam fünf Kinder: Helena (1913), John (1915), Christopher Francis (1917), Hugh Wordsworth (1921) und Clare (1925).

Ihr Haus "Conduit Head" in der Nähe der Madingley Road in Cambridge, das Frances Cornford von ihrem Vater zur Hochzeit erhielt, wurde zum Treffpunkt für einen Kreis von Künstlern, Schriftstellern und Intellektuellen, unter ihnen der Maler und Präsident des Royal College of Art William Rothenstein, Ferenc Bekessy, Rupert Brooke, Lowes Dickinson, Eric Gill, Robert Nichols, Edward Marsh, Bertrand Russell und auch Rabindranath Tagore.

Frances hatte trotz ihrer zur Melancholie neigenden Eltern eine glückliche Kindheit im Kreis ihrer Familie verbracht und übertrug dieses Muster nun auf ihre eigene Familie; sie ließ ihre Kinder frei und unbekümmert aufwachsen und übernahm mit dem zunehmenden Erfolg ihres Mannes ihre Rolle in der akademischen Cambridger Gesellschaft, die auch die Betreuung seiner StudentInnen mit einschloss.

Darüber hinaus arbeitete sie mit ihrem Mann an seiner Übersetzung von Platos Republik mit: er widmete ihr dieses Buch, dankte ihr für die unermüdliche Unterstützung und rühmte ihr Sprachgefühl.

Überschattet wurde das Leben der Cornfords durch Frances' Depressionen. Der Tod ihres engen Freundes Rupert Brooke, der 1915 auf dem Weg zur türkischen Front an Blutvergiftung starb und der Tod einiger anderer Freunde im Ersten Weltkrieg trug wohl auch dazu bei, dass sie sich nach der Geburt ihres Sohnes Christopher zwei Jahre lang zurückzog und ihrem Mann Familie und Haushalt überlassen musste. Eine ihrer schlimmsten Depressionen hatte sie zwischen 1934 und 1940; in diese Zeit fiel auch der Tod ihres Sohnes, des Dichters John Cornford, der 1936 im Spanischen Bürgerkrieg starb. Bei ihrer Rückkehr zur Familie im Jahr 1940 war "Conduit Head" Unterkunft für Freunde, Emigranten und Evakuierte, darunter Edward Marsh, und für ihre Kinder und Enkel. Drei Jahre später starb Francis M. Cornford.

Frances Cornford lebte die kommenden Jahre ein ruhiges, aber auch produktives Leben im Kreis ihrer Kinder und deren Familien. 1953 übersiedelte sie in ein Haus, das näher dem Zentrum von Cambridge lag (10 Millington Road); 1960 starb sie an Herzversagen und wurde am Ascension Parish Burial Ground in Cambridge beigesetzt.

 

1948 widmete ihr die Royal Society of Literature den Heineman Preis für Dichtung, 1959 erhielt Frances Cornford die "Queen's Gold Medal for Poetry". 1987 wurde sie in dem von Fleur Adcock herausgegebenen Sammelband "The Faber Book of Twentieth Century Women’s Poetry" als bedeutende, zu Unrecht vergessenen Dichterin aufgenommen.

 

Mit ihren Arbeiten machte sich Frances Cornford einen Namen unter den DichterInnen ihrer Zeit und danach. Obwohl sie bemüht war, einen eigenständigen Platz einzunehmen, wurde sie doch immer wieder als Mutter des Dichters John Cornford, oder als Enkelin von Charles Darwin gesehen.

Ihre Gedichte waren kurz, einfach, einige fast Epigramme, einige elegisch, einige witzig, aber auch bissig und pessimistisch, besonders hinsichtlich des Lebens von Frauen; in vielen drückte sie ihre Liebe zu Cambridge aus. Besonders ihr traurig-komisches Triolet "To a Fat Lady Seen from the Train" aus "Poems" wurde häufig zitiert. Sie war gegen jeden modernistischen Einfluss immun.

Frances Cornford begann schon als Kind zu schreiben: gemeinsam mit ihrer Cousine Gwen Darwin (Raverat) verfasste sie das jährliche Weihnachtsspiel der Familie Darwin; bereits mit sechzehn Jahren schrieb sie Gedichte, 1910 erschien ihre erste, privat herausgegebene Sammlung "Poems", die von der Kritik positiv beurteilt wurde; es folgten das Stück "Death and the Princess. A Morality" (1912) und die Gedichtbände "Spring Morning" (1915) und "Autumn Midnight" (1923), beide verlegt von Harold Monro’s Poetry Bookshop Press und mehrmals nachgedruckt. "Different Days" erschien 1928 in der Hogarth Press als erstes Buch in der Reihen "Hogarth Living Poets" in einer Auflage von 500 Stück; das Buch war William Rothenstein gewidmet, der ihr von Beginn ihres Schreibens an hilfreich zur Seite stand, und enthält impressionistisch angedeutete Erinnerungen in Kurzform, Märchen und Balladen. Weitere Gedichtbände wie "Mountains and Molehills" (1934), "Traveling Home & Other Poems" (1948), "Collected Poems" (1954) - offizielle Auswahl der Poetry Book Society - und "On a Calm Shore" (1960) folgten. Illustriert wurden ihre Werke von ihrer Cousine Gwen Raverat ("Spring Morning" / "Mountains and Molehills" mit 34 Holzdrucken), von ihrem Sohn Christopher ("Traveling Home & Other Poems" / "On a Calm Shore") und von Eric Gill ("Autumn Midnight"). Nach ihrem Tod erschienen "Selected Poems" (Enitharmon 1996), Neuauflagen folgten, wie z. B. - aktuell - "Spring Morning" (2009) und das Stück "Death and the Princess" (2010).

Ihre Gedichte wurden in zahlreichen Anthologien abgedruckt: u. a. in "A Broadcast Anthology of Modern Poetry" (Hogarth Press 1930), "The Oxford Book of English Verse", "Some Contemporary Poets", und in einer Reihe von Zeitschriften wie The Criterion, Time and Tide, The Listener und Poetry: A Magazine of Verse.

Als Übersetzerin gab sie 1943 gemeinsam mit ihrer Freundin Esther Polianowsky Salaman den Band "Poems from the Russian" heraus, mit Stephen Spender übersetzte sie "Le Dur désir de durer" von Paul Eluard (1950). Die Übersetzung von einigen Gedichten Appolinaires wurden nach ihrem Tod veröffentlicht (1976).

 

Eine Bibliografie der Arbeiten von Frances Cornford erschien 1975 in der Tragara Presse (Alan Anderson: A Bibliography of the Writings of Frances Cornford). Das King’s College Archive Centre der Cambridge University besitzt Briefe von Rupert Brooke, Korrespondenz mit Sir Sydney Cockerell, mit Francis M. Cornford, Briefe von Katherine Cox, Briefe an J. D. Hayward und John Maynard Keynes. Einige ihrer Briefe wurden in einem Auswahlband der Gedichte ihres Sohnes veröffentlicht.


Literatur- und Quellenverzeichnis:

J. Howard Woolmer: A Checklist of the Hogarth Press. 1917–1946. Woolmer/Brotherson Ltd., Revere, Pennsylvania 1986

Joanne Shattock: The Oxford Guide to British Women Writers. Oxford University Press, Oxford 1994

Lorna Sage: The Cambridge Guide to Women’s Writing in English. Cambridge University Press 1999

Faye Hammill, Esme Miskimmin, Ashlie Sponenberg (Ed.): Encyclopedia of British Women’s Writing, 1900–1950. Palgrave Macmillan 2009

Helen Fowler: Frances Cornford.1886–1960. In: Edward Shils and Carmen Blacker (Ed.): Cambridge Women. Twelve Portraits. Cambridge University Press 1996, S. 137

Jane Dowson: Women's Poetry of the 1930s. A Critical Anthology. Routledge, 1995

Virginia Woolf: Tagebücher 1, 1915–1919. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1990

Friedrich Wild: Die Englische Literatur der Gegenwart seit 1870. Versdichtungen. Dioskuren Verlag, Leipzig 1931

Wolfgang Kemp: Foreign Affairs. Die Abenteuer einiger Engländer in Deutschland 1900-1947. Carl Hanser Verlag, München 2010

Susan Brown, Patricia Clements, Isobel Grundy: The Orlando Project. 2006–2017 / Suche: Frances Cornford (orlando.cambridge.org) /

orlando.cambridge.org/public/svPeople?formname=r&person_id=cornfr&heading=cwww.nationalarchives.gov.uk

www.independent.co.uk/news/people/obituaryesther-salaman-1583261.html

www.findagrave.com/cgi-bin/fg.cgi?page=gr&GRid=102809823

alchetron.com/F-M-Cornford-1234836-W

 

Bildnachweis:

Frances Cornfords Eltern: www.findagrave.com/cgi-bin/fg.cgi?page=gr&GRid=102809823

Picknick am River Cam in der Nähe von Grantchester um 1910: Archive Centre, King's College, Cambridge RCB/Ph/100 www.kings.cam.ac.uk/archive-centre/introduction-archives/grantchester/biographical-details.html

Frances Cornford am Schreibtisch: de.findagrave.com/memorial/5935597/frances-crofts-cornford

Francis Macdonald Cornford 1938: by Walter Stoneman, NPG x166748, © National Portrait Gallery, London


Helga Kaschl: Frauen in Virginia Woolfs Hogarth Press. Verlag Autonomie und Chaos, Berlin 2022

Im Berliner Verlag Autonomie und Chaos erschien im Juli 2022 eine Online-Ausgabe von "Frauen in Virginia Woolfs Hogarth Press" mit zusätzlichen illustrierenden Hintergrundtexten:


autonomie-und-chaos.de/die-buecher/helga-kaschl-frauen-in-virginia-woolfs-hogarth-press


oder
d-nb.info/1262912083/34

 

Das Buch kann kostenlos gespeichert und bei Bedarf ausgedruckt werden (448 Seiten, Format A4).


Ellen und Francis Darwin

Frances Cornfords Eltern: Ellen Darwin, geb. Ellen Wordsworth Crofts (1856–1903) und Francis (Frank) Darwin (1848–1925)

 

 

 

Frances und Francis Cornford, Margery Olivier, unbekannte Frau, Rupert Brooke

Picknick am River Cam in der Nähe von Grantchester um 1910 - von links nach rechts: Frances und Francis Cornford, Margery Olivier, unbekannte Frau, Rupert Brooke

Frances Cornford am Schreibtisch /

Francis Macdonald Cornford 1938



Frances Cornford - Veröffentlichungen (Auswahl):

Poems. The Priory Press, Hampstead 1910

Death and the Princess. A Morality. Bowes and Bowes, Cambridge 1912

Spring Morning. Illustr. by Gwen Raverat. Poetry Bookshop, London 1915

Autumn Midnight. Illustr. by Eric Gill. Poetry Bookshop, London 1923

Different Days. Hogarth Living Poets, First Series, No. 1, Hogarth Press, London 1928

Beitrag in "A Broadcast Anthology of Modern Poetry". Ed. by Dorothy Wellesley. Hogarth Living Poets, First Series, No. 17, Hogarth Press, London 1930

Mountains and Molehills. Illustr. by Gwen Raverat. Cambridge University Press, Cambridge 1934

Travelling Home and Other Poems. Illustr. by Christopher Cornford. Cresset Press, London 1948

Collected Poems. Cresset Press, London 1954

On a Calm Shore. Illustr. by Christopher Cornford. Saint Nicolas Press, Cambridge 1960

"Letters". In: John Cornford: Understand the Weapon, Understand the Wound. Selected Writings of John Cornford. With Some Letters of Frances Cornford. Ed. with Chronology and Introduction by Jonathan Galassi. Carcanet New Press, Manchester 1976

Selected Poems. Ed. with an Introduction by Jane Dowson, with illustr. and with a memoir by Gwen Raverat and Christopher Cornford. Enitharmon Press, 1996

 

Frances Cornford - Übersetzungen (Auswahl):

with Esther Polianowsky Salaman: Poems from the Russian. Faber and Faber, London 1943

with Stephen Spender: Paul Eluard: The Dour Desire to Endure. Illustr. by Marc Chagall. The Trianon Press, London 1950

Fifteen Poems, from the French. Tragara Press, Edinburgh 1976

 

Biografisches zu Frances Cornford (Auswahl):

Gwen Raverat: Period Piece - A Cambridge Childhood. Faber and Faber, London 1953 / 2003 / 2014 / 2018, dt.: Eine Kindheit in Cambridge. Insel Verlag, Frankfuert am Main 1991

Timothy Pogers: Frances Cornford 1886–1960. London Magazine, Vol. 32, No. 5-6, August/September 1992, pp. 101-112

Jane Dowson: The Importance of Frances Cornford. Charleston Magazine, Spring 1994, pp. 10-14

Hugh Cornford: Frances Cornford 1886–1960. In: Selected Poems. Ed. with an Introduction by Jane Dowson, with illustr. and with a memoir by Gwen Raverat and Christopher Cornford. Enitharmon Press, 1996

Helen Fowler: Frances Cornford.1886–1960. In: Edward Shils and Carmen Blacker (Ed.): Cambridge Women. Twelve Portraits. Cambridge University Press 1996, S. 137